Musikfest Bremen. MOZART PUR! © Nikolai-Wolff-fotoetage
Musikfest Bremen: „Mozart Pur!“
Wolfgang Amadeus Mozart:
Sinfonie Nr. 20 D-Dur KV 133
Klavierkonzert Nr. 23 A-Dur KV 488
Sinfonie Nr. 39 Es-Dur KV 543
Maxim Emelyanychev Hammerflügel und Leitung
Il Pomo d’Oro
Konzerthaus Bremen, Die Glocke, Großer Saal, 19. August 2024
von Dr. Gerd Klingeberg
Mozart war zweifellos ein Genie – was indes bei vielen allzu sehr auf gefällige Unterhaltung abzielenden Interpretationen seiner Werke kaum in ausreichendem Maße verdeutlicht wird. Nicht so beim russischen Dirigenten Maxim Emelyanychev und dem 2012 gegründeten italienischen Originalklang-Orchester Il Pomo d’Oro.
Ihr Konzert unter dem Motto „Mozart Pur!“, das sie im Rahmen des Musikfests Bremen in der Glocke gaben, ließen sie gleich mit peitschenknallend harten Anfangsakkorden der Sinfonie Nr. 20 angehen.
Forsch bis ungestüm, aber niemals unkontrolliert ging es weiter in markant kontrastierender Dynamik. Der 2. Satz Andante vermittelte mit der feinsinnigen, sehr empfindsamen Ausführung der sordinierten Streicher wie auch mit der sanften, mit den anderen Instrumenten dialogisierenden Soloflötenpartie atmosphärische Bilder eines eleganten höfischen Tanzes.
Im krassen Gegensatz dazu ging der energisch agierende Emelyanychev das Menuetto kraftvoll bis stampfend an, um dann im Finalsatz mit hyperaktivem Ganzkörperdirigat für die unzähligen flirrenden Figurationen wahrhaft hochleistungssportliche Metren zu fordern. Und die mit jugendlichem Enthusiasmus und Elan aufspielenden Musiker hielten bravourös mit.
Sichtbar ins Schwitzen gekommen, wechselte der indes keineswegs erschöpfte Dirigent für das Klavierkonzert Nr. 23 als dirigierender Solist zum Hammerflügel. Der angenehm unaufdringliche, allerdings bei Weitem nicht der Lautstärke moderner Klaviere entsprechende Klang des Instruments (Nachbau eines Anton-Walter-Hammerflügels von ca. 1792) war in den Solopartien ein Hochgenuss, erwies sich jedoch im Tutti oft als leider nicht ausreichend durchsetzungsfähig. Geheimnisvoll, zögernd fragend und eindrucksstark erzählend präsentierte Emelyanychev das anrührende Mittelsatz-Adagio. Sein teils ausgeprägtes Rubato (bei dem kein sichtbares Dirigat möglich war) ließ mitunter leichte Differenzen mit dem Orchester entstehen. Aber die waren schnell vergessen im vehementen Vorandrängen des durchweg leichthändig genommenen Finalsatzes.
Für den tosenden Beifall, der diesmal vor allem seiner pianistischen Leistung galt, rückte Emelyanychev sogar etwas ab vom „Mozart Pur!“-Motto: Als Encore brachte er die zarteste Seite des Hammerflügels zu Gehör mit einer verhalten innig und sehr feinfühlig ausgeführten Kinderszene Nr. 1 von Robert Schumann.
Packend stringent, auf ausgeprägte Farbdichte setzend und energiegeladen geriet nachfolgend die Mozart-Sinfonie Nr. 39, ein Wechsel aus beethovenesk wuchtigem, hart tackerndem Spiel und romantisch dahinschmelzendem Tuttiklang. Dem wie mit feinem Pinsel gezeichneten Andante-Satz fehlte es indes zunächst etwas an Ruhe, aber jede der Wiederholungsvarianten des Themas erfolgte in größerer Klangintensität.
Folkloristisches Ambiente vermittelte die heitere Ländlermelodie der Klarinette im Menuetto, während der Finalsatz als presto-fetziger, immer rasanter werdender Sturm- und Dranglauf imponierte, bei dem dann doch im Übereifer so manche Nuance glattweg überrannt wurde.
Aber genau so kann ein rundum entstaubter Mozart gehen: nicht als locker-flockige Hintergrund-Unterhaltung, sondern derart strahlend, vergnüglich und zugleich fesselnd feurig, dass es das Bremer Publikum beim frenetischen Schlussbeifall von den Sitzen riss.
Dr. Gerd Klingeberg, 21. August 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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