Fotos: © Westermann / Staatsoper Hamburg
von Andreas Schmidt
Restlos begeistert waren am vergangenen verlängerten Wochenende die beiden Norddänen Dorte und Torben Westmark: begeistert von der Kultur- und Musikstadt Hamburg. Das Ehepaar lebt in einem Dorf an der Tanisbugt zwischen Hirtshals und Skagen. Die nächste größere Spielstätte liegt 80 Kilometer entfernt, in Aalborg, richtige Oper gibt es knapp 200 Kilometer entfernt in Aarhus. Warum also nicht gleich mal 530 Kilometer nach Hamburg fahren und dort große Musik, die Großstadt und gutes Essen genießen?
Die Westmarks, sie unterrichtet angehende Lehrer, er ist Berater in einer Sparkasse und ehemaliger Jugendnationalspieler Dänemarks, hatten sich außer einem Besuch in der Elbphilharmonie mit zwei Jugendorchestern aus Deutschland und der Schweiz zwei Aufführungen in der Staatsoper Hamburg ausgesucht, die in Dänemark einen sehr guten Ruf genießt. Die Elbphilharmonie ist eh „Kult“ bei unserem nördlichen Nachbarn. Fast jeder Däne kennt diese Landmark an der Elbe Auen.
Heute fährt indes kaum noch ein Däne ins Volksparkstadion zum HSV. Kein Wunder bei dieser seit Jahrzehnten erfolglosen Truppe. In Zeiten, als Torben Westmark in der Jugendnationalmannschaft des Königreiches spielte, war der HSV Kult für viele Dänen. Tausende kamen zu jedem Spiel zum erfolgreichen HSV. Vor allem zu Zeiten des genialen Lars Bastrup.
Manager Günter Netzer und Trainer Ernst Happel holten zu Saison 1981/82 den dänischen Nationalspieler im Alter von 26 Jahren zum Hamburger SV. Dort wurde der „Wiesel“ eine echte Verstärkung und Publikumsliebling. Alle 34 Bundesligaspiele machte er mit und traf gleich 13 Mal ins Tor. Zusammen mit Horst Hrubesch bildete er ein erfolgreiches Sturmduo.
Bastrup wurde gleich Deutscher Meister und stand auch im Endspiel des UEFA-Pokals 1982. Seinen wichtigen Toren in den internationalen Spielen verdankte er den Titel „Mr. Europacup“.
Im Jahr darauf schoss er im Landesmeisterwettbewerb alle drei Tore im Viertelfinalhinspiel bei Dynamo Kiew. Er verteidigte 1983 den Meistertitel und holte in Athen den größten Titel in der HSV-Geschichte, nämlich den Europapokal der Landesmeister. In diesem Spiel gegen Juventus Turin wurde er schwer verletzt (Kieferbruch) und musste vorzeitig ausgewechselt werden.
HEUTE sind Staatsoper und Elphi für die meisten dänischen Hamburg-Fans Trumpf. Auch für die Westmarks.
Am Freitag auf dem Programm stand Nabucco von Giuseppe Verdi. Torben und Dorte Westmark waren begeistert. Torben Westmark liebt den „Gefangenenchor“. Als stärkste Sänger identifizierten sie zu Recht den Zaccaria des Basses Alexander Vinogradov und den Nabucco des Baritons Dimitri Platanias. Die technisch etwas überfrachtete und zu viele Reize bietende Inszenierung, das Bühnenbild und die Kostüme Kirill Serebrennikovs wurden als sehr professionell eingeschätzt. Sonderapplaus gab es von den Dänen für den tief berührenden Gesang und das Oud-Spiel von Abed Harsony und den Gesang von Hana Alkourbah. So hat Verdi das natürlich nicht komponiert, aber diese Zwischenspiele und die ans Herz gehenden Bilder der syrischen Flüchtlinge, der zerbombten Städte, der Verletzten und Toten haben ihren rechten Platz in dieser ersten erfolgreichen Oper Giuseppe Verdis.
Auch die engen Freunde der Westmarks, Dagmar und Wolf-Dieter Maß aus Wacken (Schleswig-Holstein), waren von diesem Abend schwer beeindruckt.
Carmen von Georges Bizet am Sonntag vor dem Tag der Deutschen Einheit war für alle der Hammer. Die Inszenierung, die Spielfreude, die bunt-positiven Weltklassekostüme verliehen einer der schönsten und lebendigsten Oper der Welt eine ganz besondere Note. Der Escamillo des Bass-Baritons Kostas Smoriginas erklang profund, einnehmend, viril, allein er war den Eintritt wert.
Natürlich auch die Ausnahmestimme der Maria Kataeva als Carmen, ein bildschöner Vulkan, eine Mezzosopranistin, die in allen Lagen Weltklasse singt. Mal weich, mal kraftvoll, always to the point:
Die Micaëla Elbenita Kajtazis ist der neue Stern am Hamburger Sopranhimmel. Sie bekam fast so viel Applaus wie die Carmen. Eine tolle Stimmführung einer in allen Lagen überzeugenden, bildschönen Frau aus dem Kosovo. Auch für sie das Prädikat Weltklasse. Möge sie der Staatsoper Hamburg noch lange verbunden bleiben.
Lieber in Hamburg aufgewachsener Milliardär Klaus-Michael Kühne: Anstatt mit dem wegen Bestechung letztinstanzlich vorbestraften Milliardär René Benko* aus Austria ein neues Opernhaus in HH zu planen oder an der Mannschaftsaufstellung des HSV zu basteln, sollten Sie Frau Kajtazi lieber mit etwas Schweizer Franken aus Ihrer Portokasse unterstützen und weitere herausragende Künstler fördern, die die Hamburgische Staatsoper erst zu dem machen, was sie sein will und sein könnte: nämlich Weltklasse.
Don José (Tomislav Mužek), ein Tenor, war anfangs schwach und schlecht eingesungen. Seine Stimme war eng und nicht frei für diese große Aufgabe. Doch mit zunehmender Spieldauer wurde Mužek immer besser und besser. Im Finale dann sang er schon auf dem Niveau der deutschen Schulnote 1.
Für die Familien Westmark und Maß der Höhepunkt des Hamburg-Aufenthaltes war, neben dem Besuch im Fischereihafenrestaurant von Dirk Kowalke, der Besuch in der Elbphilharmonie: Schauen Sie sich bitte das Programm an: Es spricht in seiner Güte für sich. Beide Jugendorchester aus der Schweiz und aus Deutschlands spielten auf höchstem Niveau. Der Applaus war riesig, die Dirigenten waren allzeit in der Lage, alles Erdenkliche von den jungen Musikern herauszuholen.
Dem Autoren dieses Beitrages haben die Schweizer Musiker in ihrer Präzision und Hingabe ein wenig besser gefallen – aber Geschmäcker sind halt unterschiedlich.
Andreas Schmidt, 3. Oktober 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
BESETZUNG
Felix Mendelssohn Jugendorchester
Dirigent Clemens Malich
Zentralschweizer Jugendsinfonieorchester
Dirigent Jonas Bürgin
PROGRAMM
Piotr I. Tschaikowsky
Fantasie-Ouvertüre h-Moll »Romeo und Julia«
Fanny Hensel
Hero und Leander
Dmitri Schostakowitsch
Suite aus »Hamlet« op. 32a / Ausschnitte
– Pause –
Omar Barone
Jubiläumsouvertüre / Uraufführung
Sergej Rachmaninow
Sinfonie Nr. 2 e-Moll op. 27
- * Quelle wikipedia.de:
Letztinstanzliche Verurteilung wegen Korruption im Jahr 2014: Am 2. November 2012 wurde Benko am Landesgericht Wien gemeinsam mit seinem Steuerberater Michael Passer wegen „versuchter verbotener Intervention“ (Schmiergeld) zu einer bedingten Haftstrafe von einem Jahr verurteilt. Die Richterin stellte fest, dass Passer 2009[36] im Auftrag von Benko den früheren kroatischen Premierminister Ivo Sanader kontaktiert und ihm 150.000 Euro angeboten habe, um ein in Italien anhängiges Gerichtsverfahren zu ihren Gunsten zu beeinflussen.[37][38] Das Urteil wurde am 13. August 2013 vom Oberlandesgericht[39] und nach Benkos Einreichung einer Nichtigkeitsbeschwerde,[40] am 11. August 2014 vom Obersten Gerichtshof bestätigt.[41]
Carmen, Georges Bizet Staatsoper Hamburg, 17. September 2022 PREMIERE
Giuseppe Verdi, Nabucco, Staatsoper Hamburg, 19. September 2019
Giuseppe Verdi, Nabucco, Hamburgische Staatsoper, 5. Oktober 2019