Foto: Tonhalle Düsseldorf, Quelle: wikipedia.org
Es ist ein euphorisierender Anblick, nach so langer Zeit voller Entbehrungen und Lockdowns endlich wieder in einem ausverkauften Konzertsaal zu sitzen. Und dazu auch noch zu einem Programm von zweien der bekanntesten und erfolgreichsten Filmkomponisten aller Zeiten. Das lässt Großes erwarten und Großes wollten die Neue Philharmonie Westfalen mit dem Kammerchor der Universität zu Köln in der Tonhalle Düsseldorf zeigen. Doch dieser Wunsch überwog so sehr, dass am Ende ein über drei Stunden langes Riesenkonzert entstand, in dem sich die Künstler vor gnädig dankbarem Publikum etwas verzettelten und anscheinend auch übernahmen.
Tonhalle Düsseldorf, 8. April 2022
Neue Philharmonie Westfalen,
Benjamin Pope, Dirigent
Daniel Boschmann, Moderation
Kammerchor der Universität zu Köln
von Daniel Janz
Beginnen wir aber am Anfang. Hans Zimmer und John Williams, lebende Legenden der Filmmusik, sind für ihre dramatischen und mitreißenden Werke bekannt. Starke Auftritte, atemberaubende Klangkulissen und inspirierende Scores sind die Attribute, die man mit den beiden mehrfach oskarausgezeichneten Tonkünstlern verbindet. Vielen der bekanntesten Filme aller Zeiten haben sie ihre eigene emotionale Note aufgedrückt. Es lässt sich sogar argumentieren, dass die Berühmtheit dutzender Kinoklassiker erst durch ihre erinnerungsstarken Musikuntermalungen entstanden sind. Ein Konzert über solche Musik ist damit automatisch auch immer ein Konzert über persönliche Assoziationen und Gefühle zu den entsprechenden Filmen.
Das macht es natürlich schwer, ein Programm zusammenzustellen, das sich fernab des Kinos beweist. Denn der Neuen Philharmonie Westfalen stehen heute Abend keine Leinwand oder Kinoaufnahmen zur Verfügung. Die Wiedererkennungswerte, die der britische Dirigent Benjamin Pope aus seinem Ensemble zaubert, beruhen also vor allem auf den Leitmotiven der Musik und den Titeln. Es ist daher hilfreich, dass ihm Daniel Boschmann zur Seite steht, der den Abend moderierend durchleuchtet – Funfacts zu den Kompositionen und Kalauer über Corona inklusive. Ab und an überspitzt er zwar etwas den Bogen, als er beispielsweise von seinen Didgeridoo-Fähigkeiten schwärmt oder mit Pope Witze reißt, die bei genauer Betrachtung etwas gekünstelt wirken. Alles in allem ist seine Präsenz aber ein willkommener Leitfaden.Musikalisch beginnt das Ensemble mit einem von Hans Zimmers weniger starken Soundtracks. Denn die Musik zum Film „Man of Steel“ (2013) ist durchschaubar – Zimmer gestaltete diese vor allem aus Hornintervallen, meistens Quinten oder Quarten über einem stampfenden Schlagzeugrhythmus. Der wunderbar klare Chor sorgt hier zwar für Fülle. Die diesem Werk innewohnende Widerholung lässt es aber trotz seines schweren Klangs einfältig erscheinen. Das hätte es nicht gebraucht.
Nicht fehlen darf an so einem Abend die Musik, die Williams zu einigen epischen Weltraumklassikern der letzten Jahrzehnte konzipiert hat. Im Wechsel sausen nun die Themen aus „Star Wars – A New Hope“ (1977) und „Attack of the Clones“ (2002) durchs Orchester, in dem auch nicht alles glänzt. Die Hörner fallen nämlich das erste Mal unsauber auf und auch das Schlagwerk erscheint etwas matt – gerade auch für Konzertbesucher, die sich noch an die Aufführung im Januar unter Gordon Hamilton erinnern. Dafür stechen die Flöten zu scharf hervor, was sich im Verlaufe des Abends dank Popes Maßregelung aber bessert. Viel Pathos und das traumhaft schöne Oboenthema zu „Across the stars“ aus „Star Wars Episode 2“ bereichern diesen Teil zusätzlich. Als im Anschluss die Musik zu „E.T.“ (1982) erklingt, weckt auch das willkommene Kindheitserinnerungen. Klanglich sticht es aber nicht so sehr heraus.
Mit der Orchestersuite zu Interstellar (2014) findet der Exkurs in die Geschichte der Weltraumklassiker sein Ende. Dieser fetzige Soundtrack von Hans Zimmer ist verglichen mit anderen seiner Kompositionen eine der besseren. Besonders die Orgel unterlegt die Musik mit mächtigem Dröhnen und als dann auch noch der Chor zu einem fantastischen Lichtspektakel einsetzt, reißt das mit. Hier besticht auch das Live-Sounddesign und sorgt für einen ergreifenden Höhepunkt. Da passt alles!
Die im Anschluss erklingenden Musik zu „Batman Begins“ und „The Dark Knight“ sowie zu „Jurassic Park“ wirken ihrerseits wieder etwas matt. In der Musik zu Christopher Nolans „Dark Knight“-Trilogie kommen zwar die hektischen Rhythmen gut heraus und das Solocello nach dem melancholischen Einstieg ist eine willkommene klangliche Abwechslung. Im Tutti ergänzt sich diese Orchestersuite aber sehr stark mit der Musik zu „Star Wars Episode 2“. Da sie aber im Gegensatz zum Klang von Williams fast nur in einer Tonart verharrt, verliert sie durch diesen Vergleich an Wirkung. John Williams’ Musik zu „Jurassic Park“ bietet dafür einen sehr romantischen Kontrast, auch wenn Pope das Werk etwas zu sehr herunterhasten lässt. Immerhin – die Trompeten strahlen hier schön klar. Dafür sind aber wieder Unsauberkeiten in den Hörnern zu erkennen. Gut, dass danach die Pause folgt.
Nach der Pause beginnt das Orchester dann mit der Musik zu „Superman“ von 1977. Schnell fällt auf, dass Williams’ reiche Instrumentation die simpler gestrickte Musik zu „Man of Steel“ schmälert und so für eine inhaltlich unnötige Doppelung sorgt. Im Vergleich zwischen „Star Wars“ und „Supermann“ fallen aber noch zusätzliche Parallelen auf. Für sich genommen sind es klasse Stücke. Doch in Kombination wirken sie generisch, weil zu ähnlich. Der Marschrhythmus, Fokus auf die Hörner, Klangverzierungen mit Glockenspiel… das alles gab es heute schon. Ergreifen kann dafür das Thema zu „Schindlers Liste“ (1994). Gerade auch Misha Nodelman, der das Violinsolo spielt, kann durch punktgenaue Sensibilität überzeugen. Das bewegt und erzeugt im Anschluss auch einen merklich längeren Applaus vom Publikum – alles mit deutlich weniger Instrumenten, als die Kompositionen davor. Ein Glanzstück!
Es ist ein dramaturgischer Kniff, dass auf diese tragisch schönen Klänge mit der Musik zu Ridley Scotts „Gladiator“ (2000) eine nicht nur längere, sondern auch deutlich martialischere Orchestersuite folgt. Das klangstarke Werk über den nach Vergeltung lechzenden Maximus Decimus Meridius überzeugt durch Wucht und Kraft – plötzlich klingt auch das Orchester deutlich lauter, als noch im ersten Teil des Abends. Da ist es fast nebensächlich, dass Hans Zimmer mutmaßlich beim „Mars –Bringer des Kriegs“ aus „Die Planeten“ von Gustav Holst geklaut hat. Schade nur, dass danach mit der Musik zu „Inception“ das Niveau wieder abflacht. Hier begegnet einem immer nur dieselbe Akkordfolge auf dröhnendem Bass mit elektronischem Nachhall. Einzig zarte Gitarrentöne sorgen für willkommene Abwechslung.
Erwartungsgemäß überzeugen die letzten Werke an diesem Abend mal mehr, mal weniger. Kompositionen aus „Harry Potter“ (2001), „Indiana Jones“ (1981), und der „Imperial March“ aus Star Wars, der zusammen mit der Musik zu „Fluch der Karibik“ (2003) als Zugabe herhalten darf – Einmarsch von Darth Vader und kostümierter Sturmtruppen inklusive – finden ebenfalls zur Aufführung, leiden am Ende aber darunter, erst so spät zu erklingen. Erwähnenswert ist auch die Musik zu „Der König der Löwen“ (1994), in der der Chor endlich einmal mehr, als nur immer „oh“ und „ah“ singen darf. Überhaupt gehören die Sänger aus Köln – neben Celesta, Streichern und den Holzbläsern – heute zu den stabilsten Säulen des Orchesters.
Kommen wir damit zu den inhaltlichen Schwächen des Programms. Denn nicht nur die Doppelung bei „Man of Steel“ zu „Superman“, sowie die auf Dauer etwas müßig wirkenden Stilwiederholungen fallen hier auf. Es wäre auch überlegenswert, „E.T.“, „Inception“ und/oder „Der König der Löwen“ aus dem Programm zu nehmen. Diese Werke hat man zwar dabei, um den Titeln gerecht zu werden. Inhaltlich überzeugen sie aber weniger in der Konzeption des Abends und blähen das Konzert unnötig auf. Und auch die Zugabe verkommt zur Absurdität. Wie Moderator Boschmann und Dirigent Pope den „Imperial March“ und „Fluch der Karibik“ im Privatinterview kurz nach der Pause vorwegnehmen und Spannung schüren wollen, ist gut gedacht – wäre da nicht der Umstand, dass die Werke auf der Homepage der Tonhalle schon Wochen vor der Aufführung angepriesen wurden. Dadurch wird nicht nur die Überraschung im Keim erstickt. Auch die Arbeit der Beteiligten wird so erfolgreich boykottiert.
Und leider zeigen sich auch bei den Musikern Verschleißerscheinungen im Verlauf des Abends. Stein des Anstoßes sind – neben stellenweise zu leisem Schlagwerk in der ersten Hälfte des Abends – die Hörner. Zu Beginn beläuft es sich noch auf geringe Unsauberkeiten bei „Star Wars“ und „Jurassic Park“. Aber spätestens im letzten Drittel häufen sich – trotz enormen Klangvolumen – die Spielschwächen und schließlich sogar falsche Töne, sodass man spätestens ab „Gladiator“ um den Gesamteindruck bangt. Ärgerlich auch, wie dies auf andere Instrumentengruppen abfärbt. So zum Beispiels die Trompeten, die bei „Indiana Jones“ das Hauptmotiv verspielen. Sicherlich Konzentrationsschwäche, die nach 3 Stunden (!) Aufführung zwangsläufig einsetzen muss. Weniger Programm wäre hier mehr Qualität gewesen.
Und trotzdem feiert das Publikum das Orchester und die Show am Ende sogar mit großem Beifall. Man muss auch anerkennen, dass es über weite Strecken eine gute Show war, die sie abgeliefert haben. Gerade auch Sounddesign und Lichtregie seien an dieser Stelle noch einmal für die gute Unterstützung gelobt. Obwohl diese Aufführung etwas kürzer hätte sein können und noch ein wenig poliert werden muss, konnten die Musiker der Neuen Philharmonie Westfalen unter Benjamin Pope doch begeistern. Man darf aber wohl erwarten, dass sie für die Aufführungen in Köln am 16. April sowie am 17. April 2022 in Essen noch eine Schippe drauflegen werden.
Daniel Janz, 10. April, 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
The Music of Hans Zimmer & others, St. Margarethen, Oper im Steinbruch, 13. August 2019
Star Wars-Konzert, Konzertkino, NDR Elbphilharmonie, Krzysztof Urbański, Elbphilharmonie Hamburg