Fotos: Dr. Regina Ströbl
Musik- und Kongresshalle Lübeck, 1. Januar 2022
Werke von Johann Strauss Sohn, Josef Strauss, Franz Léhar, Otto Nicolai und Robert Stolz
Philharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck
Stefan Vladar Dirigent
von Dr. Andreas Ströbl
Eine menschliche Geste war die Begrüßung des Publikums in der (zu Corona-Bedingungen) ausverkauften Musik- und Kongresshalle Lübeck zum traditionellen Neujahrskonzert, das nach dem Ausfall 2021 nun wieder stattfinden durfte. Die Geschäftsführerin der „Muk“, Ilona Jarabek, der geschäftsführende Theaterdirektor Caspar Sawade und die Kultur- und Bildungssenatorin Monika Frank richteten Worte der Dankbarkeit und des Optimismus an ein Publikum, das wie die Ausführenden und Verantwortlichen einen lebendigen Kulturbetrieb in der Hansestadt auch im schwierigen vergangenen Jahr möglich gemacht hatte, indem es dem Theater und der MuK treu geblieben war, trotz aller Einbußen.
Dem Optimismus und der Freude an gemeinsam erlebter Musik konnte man kaum besser Ausdruck verleihen als es GMD Stefan Vladar und das Philharmonische Orchester der Hansestadt Lübeck in einem brillanten Konzert taten, indem sie einen tönenden Champagnerkorken nach dem anderen knallen ließen.
Bereits nach Otto Nicolais Ouvertüre zu „Die lustigen Weiber von Windsor“ brandete begeisterter Applaus auf, der eine Leistung belohnte, die ungebrochen bis zum letzten Ton dieses Neujahrskonzerts gehalten wurde. Das war geprägt durch einen lebhaften Wechsel von den liebenswerten Wiener Walzern, schmissigen Polkas und leidenschaftlichen Gesangseinlagen. Nach dem „Accelerationen-Walzer“ von Johann Strauss Sohn mit seinen sich in die Höhe drehenden Tonspiralen und reizvollen Dialogen zwischen Streichern und Bläsern folgte seine temperamentvolle „Bauern-Polka“. Voller Temperament und Leichtigkeit war auch Vladars Dirigat, der zuweilen mit weiten Bewegungen die Klänge des großen, exzellent spielenden Orchesters zu umarmen schien.
Ein hervorragender Einfall war die Auflockerung der Instrumentalstücke durch Operettenlieder wie „O Vaterland du machst bei Tag…“ aus Léhars „Die lustige Witwe“ – bekanntermaßen geht der Text weiter mit „…mir schon genügend Müh und Plag“. Der dänische Bariton Bo Skovhus sang mit wunderbar gespieltem Schwips das Rezept gegen diese „Müh und Plag“, nämlich zu „Maxim“ zu gehen und dort alle Sorgen zu vergessen. Gemeinsam mit der Sopranistin Evmorfia Metaxaki aus dem Lübecker Opern-Ensemble gab er das bezaubernde Duett „Lippen schweigen“ aus ebendieser Operette. Und sie legten noch eins drauf, nämlich die Ankündigung, dass diese beiden großen Stimmen in der kommenden Spielzeit Richard Strauss´ „Salome“ bestreiten würden. Ihre charmante Darbietung schmückten die beiden mit unbeschwert gespieltem Tändeln und angedeutetem Walzertanz.
Mit dem Filmlied „Ich liebe dich“ von Robert Stolz beschloss Skovhus diesen Teil des Programms; in den starken Tutti-Stellen übertönte das Orchester manchmal fast seinen Gesang. Vor der Pause durfte der Walzer „Wiener Blut“ von Johann Strauss Sohn natürlich nicht fehlen und Vladar bewies, dass man diese Musik am besten mit einem gehörigen Schalk im Nacken dirigiert.
Mit drei weiteren Stücken dieses Komponisten begann der zweite Teil und entführte mit der Ouvertüre zum „Zigeunerbaron“, der Polka „Éljen a Magyár“ („Es lebe der Ungar“) und einer weiteren „Polka schnell“ in die Puszta, mit pfeffrigem Schwung, dazwischen zarten Stellen und immer wieder zackigem, energischem Anziehen im Tempo.
Die schwungvolle Polka „Brennende Liebe“ von Josef Strauss, die „Annen-Polka“ und „Leichtes Blut“ von Johann Strauss Sohn galoppierten wie leichtfüßige Lipizzanerfohlen durch den Saal, bevor seine fein perlende „Neue Pizzicato-Polka“ mitunter eine wienerische Schrammelmusik-Intimität mit bravourösen Streichern und souveräner Querflöte entwarf. Dass die wunderbaren „Geschichten aus dem Wienerwald“ nicht das Ende des Konzerts bedeuteten, war von Anfang an klar, und so gab es als erste Zugabe, wiederum von Johann Strauss Sohn, die launige „Tick-Tack-Polka“.
Ein wienerisches Neujahrskonzert ist aber erst dann wirklich eines, wenn sich mit „An der schönen blauen Donau“ die ganze Walzerseligkeit über das beseelte Publikum ergießt. Vladar gab dazu ein kleines Unterrichtsstück, wie genau man das in Wien macht, nämlich mit dem sanften Einsetzen der Musik und dem kurzen, aber heftigen Applaus, der dann durch den Neujahrsgruß des gesamten Orchesters beantwortet wird. Dann durften alle in Entrückung schwelgen.
Der „Radetzky-Marsch“ beschließt zwingend dieses Konzert und den gab es ebenso zackig wie humorvoll. Vladar hatte das Publikum im Griff und führte die Mitklatsch-Regie ebenso schelmisch wie die Leitung des Orchesters, das er witzigerweise in manchen Momenten allein spielen ließ, indem er sich einfach mal aufs Dirigentenpult setzte und charmante Späßchen machte.
Stehender Applaus in der MuK – Ehrensache!
Wenn das neue Jahr so wird wie dieses Konzert verhieß, dann kann man nur mit Schampus anstoßen und ausrufen: Prosit Neujahr!
Dr. Andreas Ströbl, 1. Januar 2022 für
für klassik-begeistert.de und Klassik-begeistert.at