Der Wolkenturm in Grafenegg, Orchester, Dirigent und Solisten. Foto: B. Schreiner
“Best-of-Walküre” mit dem Traum-Zwillingspaar aus Bayreuth, mit dem Festspielorchester, und dazu noch Günther Groissböck als Hunding und Wotan. Das Publikum zeigte sich hingerissen!
Richard Wagner Auszüge aus “Die Walküre”
Erster Aufzug
Walkürenritt
Wotans Abschied und Feuerzauber
Sieglinde: Vida Miknevičiūtė
Siegmund: Michael Spyres
Hunding: Günther Groissböck
Wotan: Günther Groissböck
Orchester der Bayreuther Festspiele
Dirigent: Pablo Heras-Casado
Wolkenturm, Grafenegg, 29. August 2024
von Dr. Rudi Frühwirth
Tatsächlich, das Bayreuther Festspielorchester hat an diesem Abend in Grafenegg zum ersten Mal in Österreich gastiert. Und nicht nur das, es hat bayreuthwillig gleich Sieglinde und Siegmund aus der diesjährigen Walküre mitgebracht!
Am Pult stand allerdings nicht Simone Young, sondern der ebenfalls Bayreuth-erfahrene Pablo Heras-Casado. Günther Groissböck hat zwar vor langer Zeit Hunding in der Wiener Staatsoper gesungen, jedoch Wotan weder in Wien noch in Bayreuth. Für Spannung war also gesorgt.
Der Abend begann mit dem ersten Akt der “Walküre”. Fast eine Oper für sich, ist dieser erste Aufzug in seiner Geschlossenheit ein singuläres Wunderwerk, das den Zuhörer unerbittlich durch einen Strudel der Emotionen führt, von Mitleid und Furcht über aufkeimende Hoffnung zu berauschendem Bekenntnis der Liebe und triumphalem Aufbäumen gegen das Schicksal.
Dem Lob, das die Kritik den beiden Protagonisten in Bayreuth gespendet hat, kann ich mich voll anschließen. Lediglich in der Szene, in der die Geschwister einander als solche erkennen, hätte ich mir von Vida Miknevičiūtė ein bisschen mehr atemloses Suchen und Zögern gewünscht.
Hier ist Gundula Janowitz in der Aufnahme unter Karajan einfach unübertrefflich.
Michael Spyres ist ein idealer Siegmund mit ausdrucksvoller Mittellage, der aber auch in der Höhe einiges zu bieten hat, wie seine “Wälse”-Rufe eindrücklich bezeugten.
Günther Groissböck war ein angemessen brutaler Hunding und begeisterte mich stimmlich ebenso wie durch seine starke Bühnenpräsenz.
Ich hatte den Eindruck, dass der Dirigent Pablo Heras-Casado das Orchester etwas zu sehr im Zaum hielt, vielleicht aus Rücksicht auf Miknevičiūtė und Spyres. Die Solisten haben es ja unter freiem Himmel nicht leicht, besonders natürlich dann, wenn sie wie an diesem Abend ohne Verstärkung singen. Unzweifelhaft scheint mir allerdings, dass das Drama des ersten Aufzugs, das ja fast ein Kammerspiel ist, im Theater noch besser zur Geltung kommt als in der Arena von Grafenegg.
Nach der Pause folgte zunächst der Walkürenritt, verständlicherweise ohne Walküren. Wer die Originalversion kennt, ist in manchen Passagen etwas befremdet oder enttäuscht, kann sich aber die Frauenstimmen ohne weiteres dazudenken. Dennoch ist die reine Orchesterversion nicht wirklich zufriedenstellend. Das soll aber in keiner Weise die brillante Wiedergabe durch das Festspielorchester schmälern.
Zum Abschluss erschien noch einmal Günther Groissböck, diesmal als Wotan, um von seiner geliebten Tochter Brünnhilde Abschied zu nehmen. Groissböcks mächtiger Bass übertönte das Orchester spielend, und so konnte der Dirigent den Instrumentalisten freien Lauf lassen. Diese ließen sich nicht lange bitten und zeigten, was sie an Klangfülle und Klangschönheit hervorzubringen vermochten. Der Aufschwung nach Wotans Worten “…der freier als ich, der Gott” war schlechthin überwältigend, vom Dirigenten breit zelebriert. Nicht minder gelungen war der glitzernde, gleißende Feuerzauber. Angesichts von Groissböcks Leistung hoffe ich, dass ich ihn bald nicht nur in Ausschnitten als Wotan in der “Walküre” erleben kann!
Puristen mag ein solches Programm mit ausgewählten “Gustostückerln” als verwerflich populär erscheinen, und es stimmt schon, dass der große Handlungsbogen des Werks und damit auch der Grundkonflikt und die Kernaussage verloren geht.
Andererseits könnte die großartige Musik der für diesen Abend ausgewählten Glanzstücke so manche Zuhörerinnen und Zuhörer anspornen, sich näher mit der “Walküre” anzufreunden und auch einmal eine komplette Aufführung des Werks oder gar den gesamten “Ring des Nibelungen” in der Oper zu besuchen.
In diesem Sinn ein großes Bravo und Dankeschön an alle Mitwirkenden für einen begeisternden Abend unter dem Himmel von Grafenegg!
Dr. Rudi Frühwirth, 30. August 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Bayreuther Festspielorchester, Pablo Heras-Casado Wolkenturm, Grafenegg, 29. August 2024
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