Foto: Sir Antonio Pappano © Musacchio & Ianniell
Sergej Prokofjew: Symphonie Nr. 1 in D-Dur „Symphonie classique“
Maurice Ravel: Konzert für Klavier und Orchester in G-Dur
Jean Sibelius: Symphonie Nr. 5 in Es-Dur op. 82
Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia
Sir Antonio Pappano, Dirigent
Víkungur Ólafsson, Klavier
Konzerthaus Wien, 23. Januar 2023
von Herbert Hiess
Der sympathische Sir Antonio Pappano ist derzeit mit dem römischen Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia auf Abschiedstournee unterwegs und will offenbar demonstrativ beweisen, dass das römische Orchester weit mehr „drauf“ hat als italienisches Kernrepertoire.
Dieser Beweis ist ihm beim ersten Abend in Wien blendend gelungen. Die Spielfreude der Musiker ging fast nahtlos aufs Publikum über. Der sympathische Sir beweist, dass er nach seiner 18-jährigen Funktion als Chefdirigent in Rom ein wahrhaftes Spitzenorchester geformt hat.
Egal, ob es die allzu oft gespielte und allzu oft schlampig gespielte erste Symphonie von Sergej Prokofjew ist oder das berühmte Konzert in G-Dur von Maurice Ravel. Hier hätte die Ikone der Pianistinnen Martha Argerich spielen sollen, die leider aus gesundheitlichen Gründen absagen musste.
Dafür sprang der isländische Pianist Víkingur Ólafsson ein, der mit einer enormen technischen Präsenz und einer wunderbaren Musikalität punkten konnte. Noch im September 2022 zeigte Argerich gemeinsam mit Zubin Mehta, was in diesem Konzert steckt (https://klassik-begeistert.de/martha-argerich-klavier-wiener-philharmoniker-zubin-mehta-dirigent-wiener-konzerthaus-21-september-2022/) und stecken kann.
Der junge, schlaksige Pianist hinterließ an diesem Abend einen wunderbaren Eindruck, den er hoffentlich in weiterer Folge noch festigen kann. An den Anschlag der argentinischen Piano-Diva wird er wahrscheinlich noch länger nicht heranreichen. Trotz allem war das Konzert ein exzellentes Erlebnis; fix im Gedächtnis bleibt im 2. Satz (Adagio assai) das Duo Klavier mit dem Englischhorn. Pappano machte aus dem ganzen Konzert ein Klangerlebnis; großartig auch die jazzigen Elemente in diesem Werk.
Nach der Pause kam Sibelius Symphonie Nr. 5, wo in Wien die Latte extrem hoch hängt. Leonard Bernstein, Lorin Maazel usw. zeigten bestechend, wie diese Symphonie klingen kann (und muss). Sir Pappano kann sich diesem Reigen berechtigt anschließen; diese Aufführung war richtig exemplarisch. Auch bei der Zugabe („Nimrod“ aus Edward Elgars „Enigma-Variationen“) zeigte das Orchester seine hohe Kompetenz.
Apropos Zugabe: Der isländische Pianist zauberte mit Johann Sebastian Bachs „Triosonate“ Nr. 4 in e-moll und Franz Liszts Bearbeitung von Mozarts „Ave Verum Corpus“ wunderschöne zarte Klänge, die man sich auch in dem Adagio von Ravels Konzert gewünschte hätte; dann vielleicht mit weniger Pedal.
Alles in allem ein bedeutender Abend gemeinsam mit der Entdeckung eines großartigen Pianisten. Zu hoffen ist, dass man den jungen Mann noch öfters wird hören und sehen können. Und schade, dass Sir Antonio Pappano das Orchester verlässt. Dieses Team hat (und hatte) eine seltene Größe erreicht!
Herbert Hiess, 24. Januar 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Tschechische Philharmonie, Víkingur Ólafsson, Semyon Bychkov Kölner Philharmonie, 24. Oktober 2022