Elbphilharmonie Hamburg © Thies Raetzke
Sol Gabetta und das Oslo Philharmonic bringen Schostakowitsch vom Allerfeinsten
Elbphilharmonie, Hamburg, 14. November 2022
Oslo Philharmonic
Sol Gabetta, Violoncello
Dirigent: Klaus Mäkelä
Dmitri Schostakowitsch
Konzert für Violoncello und Orchester Nr. 1 Es-Dur op. 107
Zugabe: Manuel de Falla
Nana / aus: Siete canciones populares españolas
Dmitri Schostakowitsch
Sinfonie Nr. 10 e-Moll op. 93
Zugabe: Michail Glinka
Ouvertüre zu »Ruslan und Ljudmila«
von Patrik Klein
Die argentinische Ausnahmecellistin Sol Gabetta mit dem natürlichen Charme und einer Technik, die ihresgleichen sucht, kommt mit gülden wehendem Kleidchen und ihrer Guadagnini von 1759 auf das Podium der Elbphilharmonie und legt los mit Schostakowitschs Cellokonzert Nr. 1.
Da streicht der Bogen sanft über die vier Saiten, beginnt zu glänzen und zu zaubern, zu schwingen und mal mehr oder weniger zu fetzen, sich schließlich ganz in der Komposition Schostakowitschs aufzulösen und mit ihr im Einklang zu versinken. Man spürt einfach, dass das keine Show ist, sondern das Ergebnis jahrelangen Übens und Könnens. Der Körper des Cellos und jener der magischen Musikerin kommen in Wallung, in mal mehr oder weniger starke Bewegungen, Gesten und Stimmungen. Das ist vollendet und dringt durch jeden aufmerksamen Zuhörer im Saal. Man könnte eine Stecknadel fallen hören. Kein Mucks. Nur große Augen und aufgespannte Ohren. Das Orchester unter Klaus Mäkelä trägt sie dabei auf Händen.
Sol Gabetta spielt dann noch zusammen mit Gonzalo Moreno an der Celesta eine kurze Zugabe von Manuel de Falla (Nana / aus: Siete canciones populares españolas) und geht ganz sympathisch zu ihrem Mitspieler, um mit ihm den Riesenapplaus gemeinsam zu empfangen.
Nach der Pause dann, mittlerweile in voller orchestraler Besetzung mit den acht Kontrabässen auf der rechten Seite des Podiums, beginnt die Stunde des Oslo Philharmonic unter seinem jungen Stardirigenten Klaus Mäkelä. Bilder des Wahnsinns, der Brutalität, das Wesen Stalins, Schostakowitschs Initialen D-S-C-H und schließlich die Abkehr vom idyllischen Charakter zur Aggressivität und der Auflösung in die Tanzmusik prägen die fünfzigminütige Sinfonie. Und was darf man lauschen als Ticketbesitzer in diesem unfassbaren Klangrausch in der Elbphilharmonie Hamburg? Höchstpräzise Instrumentengruppen wachsen über sich hinaus, formen Klangflächen, die man bislang glaubte, nie gehört zu haben. Und das alles nur, weil da so ein junger Tausendsassa am Pult steht?
Ja und Nein. Gewiss kann kein Dirigent aus einem schwachen Orchester ein großartiges formen. Aber hier erscheint es mir, als ob eine Symbiose zwischen Taktstock und Orchester gewachsen ist, nach erst drei Jahren der Zusammenarbeit.
Vor ein paar Monaten durfte ich alle Sinfonien von Sibelius von diesem Musikensemble hören und war schon in eine andere Welt abgetaucht. Heute Abend hat sich dieser phänomenale Eindruck weiter verfestigt. Auch wenn viele seiner Bewegungen und Gesten manieriert wirken könnten, so hat man doch den Eindruck, dass das Orchester ihn versteht und ihm mit Lust und Leidenschaft folgt, ja sogar über sich hinaus wächst.
Die Orchester der Zukunft in Paris und Amsterdam dürfen sich bereits jetzt freuen auf Klaus Mäkelä.
Patrik Klein, 15. November 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
+ Das Mäkelä-Massaker ist eine niederschmetternde Entgleisung
klassik-begeistert.de, 31. August 2022
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Oslo Philharmonic, Klaus Mäkelä, Jean Sibelius: Sinfonien Nr. 2 & 4 Elbphilharmonie, 31. Mai 2022
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Oslo Philharmonic Klaus Mäkelä, Dirigent Wiener Konzerthaus, Großer Saal, 22. Mai 2022