Konzerthaus Berlin, 8. November 2021
Philippe Jaroussky und Le Concert de la Loge
Philippe Jaroussky (Foto: Marco Borggreve ©)
von Tony Kliche
Im Berliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt waren der französische Countertenor Philippe Jaroussky und das auf historische Aufführungspraxis spezialisierte Ensemble Le Concert de la Loge zu erleben. Das Programm des gut einstündigen Konzerts widmete sich dem konkurrierenden Opernschaffen der Komponisten G. F. Händel und N. Porpora.
Mit „Porpora/Farinelli gegen Händel/Carestini – zwei Jahre Rivalität in London“ wurde das kurzweilige Konzertprogramm angekündigt. In der Tat versuchten sich beide Komponisten in der damaligen englischen Opernszene gegenseitig auszustechen, standen ihnen doch neben kompositorischem Instinkt für wirklich gute Musik und deren Wirkung sogar noch auf die Ohren unserer Zeit auch die Superstars der damals verfügbaren Sänger zur Verfügung. Diese waren die Kastraten Giovanni Carestini und der auch heute noch durch die Popkultur berühmte Sopranist Carlo Broschi, besser bekannt unter seinem Pseudonym „Farinelli“.
Das Repertoire des Konzerts ist für Philippe Jaroussky keineswegs neu, vielmehr routiniert, dennoch brachte die direkte Gegenüberstellung der Werke beider Komponisten einige Überraschungen mit sich, denn seine Interpretationen erreichten hierbei beeindruckende sängerische Höhepunkte. Es war geradezu faszinierend, Jarousskys leidenschaftliches Engagement für die Musik im Zusammenspiel mit den Orchestermusikern verfolgen zu können.
Julien Chauvin (musikalische Leitung) übertrug mit seiner Violine ein Übermaß an Musizierfreude auf das Orchester, das mit Temperament und Leidenschaft agierte und die reichhaltige Palette an Klangfarben vollends ausschöpfte. In den Ouvertüren und Concerti grossi von Händel, die als Art Zwischenspiel oder besser Intermezzi fungierten, erzeugten die Streicher mit ihren schnellen und ruckartigen Impulsen eine Art stilistisch-rasenden Tanz, entfachten sogar einen regelrechten klanglichen Wirbelwind auf ihren historischen Instrumenten.
Jarousskys Stimme bestach in der Arie „Mi lusinga il dolce affetto“ aus Händels „Alcina“ mit großer Einfachheit, Anmut und Leichtigkeit. Seine Koloraturkunst ist hier auf dem Höhepunkt. Verzierungen dienten nicht einfach nur dem Zweck einer großen sängerischen Geste, sondern waren vielmehr nur noch angedeutet und bewegten sich überraschenderweise mehr in den tiefen Lagen seines Registers. Nicht weniger eindrucksvoll war die Arie „Scherza, infida“ aus „Ariodante“, denn hier beschwörte Jaroussky ein ergreifendes Drama zwischenmenschlicher Beziehungen herauf. Seine mittlerweile leicht metallisch klingende Stimme vermochte es, die verschiedenen Seelenzustände des vorgeblich geprellten Geliebten überaus glaubhaft zu schildern und sängerisch auszudrücken. Daneben war die Bravourarie „Agitato da fiere tempeste“ aus Händels Pasticcio „Oreste“ das reinste sängerische Feuerwerk.
Göttlich und elysisch zugleich wurde es in Porporas Arie „Alto Giove“ aus der Oper “Polifemo“. Das Publikum war regelrecht hingerissen bei dieser Melodie und der essentiellen Zärtlichkeit von Jarousskys betörendem Messa di voce: Was für ein erhabener Moment an reiner Gesangskultur hier hörbar wurde! Bedankt haben sich Jaroussky und seine Musiker für den reichhaltigen, warmen Applaus mit der Arie „Verdi prati“ aus Händels Oper „Alcina“.
Tony Kliche, 9. November 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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