Budapest, Wagner Days, Das Rheingold © Attila Nagy; Mupa Budapest
MÜPA – Budapest, Palast der Künste, 15. – 17. Juni 2023
RHEINGOLD, WALKÜRE, SIEGFRIED – „A NIBELUNG GYÜRÜJE“ vom 15.-17. Juni 2023
von Dr. Klaus Billand
Während der alljährlichen Budapest Wagner-Tage am Palast der Künste – Müpa, die der künstlerische Direktor und Dirigent Ádám Fischer einst zu einer Alternative zu Wagner an der Budapester Staatsoper im damals neu entstandenen Müpa ins Leben rief, findet in diesem Juni noch einmal der halb-szenische „Ring des Nibelungen“ in der Regie von Hartmut Schörghofer statt.
Es ist die bereits dritte Auflage, aber der Regisseur sieht den „Ring“ als „Work in progress“, womit er fraglos Recht hat. Er hat seine Arbeit weiter verfeinert, auch mit neueren technischen Mitteln, was die Visualität unter Einsatz der zwölfflächigen beweglichen Plastikscheiben hinter der Szene betrifft, auf der stets zur Szenenaussage passende und diese somit noch akzentuierende Videos des Szupermodern Filmstúdió Budapest ablaufen.
Ihre Wirkung wird durch die exzellente Lichtregie von Máté Vajda noch verstärkt. Davor spielt sich eine Handlung ab, die es in ihrer Intensität und Personenregie mit jeder guten szenischen Aufführung aufnehmen kann und diesen halb-szenischen „Ring“ wohl zum derzeit besten weltweit macht. Durch den Wegfall jeglicher überfrachteter Interpretationsbemühungen und -verrenkungen konzentriert man sich auf das Wesentliche der Tetralogie, setzt auch ganz bewusst wichtige Requisiten ein, wie Speer, Schwert und den Ring selbst, von denen vermeintlich avantgardistische „Ring“-Regisseure so gern absehen. Und siehe da: es passt alles bestens zusammen, das große Werk des Bayreuther Meisters eröffnet sich dem jeden Abend ausverkauften Haus mit stets begeisterter Reaktion am Ende in einer ganz natürlichen und unmittelbar nachvollziehbaren Form. Die Kostüme von Corinna Crome, bei den Protagonisten weitestgehend schwarze Abendrobe und Frack, stehen der unmittelbaren Überzeugungskraft der Handlung kaum im Wege.
Den Löwenanteil am Erfolg hat aber Ádám Fischer mit dem wahrlich festspielreif aufspielenden Hungarian Radio Symphony Orchestra, das seiner langjährige Wagner-Erfahrung unter seinem Baton lustvoll Raum gibt. Herrlich die Bläser – der Siegfried-Hornist durfte sogar von der Bühne aus spielen, fehlerfrei versteht sich. Aber auch ein kraftvoller transparenter Streichersatz mit herrlichen Soli. Der Klang im akustisch hervorragenden Béla Bartók-Saal des Müpa scheint manchmal wie im Raum zu schweben, so im „Rheingold“-Vorspiel, als die Hörner einsetzen. Fischer bekommt jedes Mal frenetischen Auftrittsapplaus.
© Dr. Klaus Billand
Aber auch das Sängerensemble hat weitestgehend Weltklasse-Niveau. Stefan Vinke als junger Siegfried und Magdalena Anna Hofmann eroberten gestern Abend mit beherzten und stimmlich erstklassigen Leistungen das Müpa-Publikum. Günther Groissböck debutiert mit dem „Rheingold“-Wotan. Aris Argiris, der erste griechische Wotan, mit einem perfekten Deutsch und entsprechender Diktion sowie einem bestens geführten prägnanten Bass-Bariton mit prononcierten Höhen singt den „Walküre“-Wotan und hinterlässt einen hervorragenden Eindruck, vokal wie darstellerisch.
Egils Siliņš ist ein vokal tiefer und breiter gewordener Wanderer von großem Format. Christian Franz bringt noch einmal Klänge aus seiner großen Zeit als Siegfried zu Gehör. Péter Kálmán verkörpert einen erstklassigen Alberich mit enormer Ausdrucks- und Stimmkraft. Stuart Skelton singt seinen bewährt guten Siegmund, und Simone Schneider glänzt wieder als Sieglinde mit ihrem betörenden Timbre und einer emphatischen Gestaltung. Albert Dohmen ist ein weiterhin Respekt gebietender Hunding, sowohl darstellerisch wie stimmlich. Iréne Theorin agiert hier glücklicher als letztes Jahr in Bayreuth als „Walküre“-Brünnhilde mit zeitweise schön leuchtenden Tönen, wenn auch einigen grellen Spitzen. Erika Gál ist wieder die bewährte Budapester Erda, ebenso wie Atala Schöck die Fricka. Jürgen Sacher ist ein guter, aber vielleicht etwas zu schön singender Mime. In weiteren Rollen überzeugen Lilla Horti (Freia), Gábor Betz (Fasolt), Lukasz Konieczny mit kleinen Abstrichen (Fafner), Dániel Pataky (Froh), Eszter Zemlényi (Waldvogel) und die erstklassigen Rheintöchter Orsolya Sáfár (Wellgunde), Gabriella Fodor (Woglinde) und Zsófia Kálnay (Flosshilde).
© Dr. Klaus Billand
Eine von Gábor Vida interessant choreografierte Tanzgruppe von etwa zehn Akteuren nimmt vielfältige, die Handlung weiter interpretierende Aufgaben wahr, wie die Hunde und Wölfe bei Hunding, oder die Pferde – als Köpfe – im Walküren-Ritt, sowie Grane und den knallroten Loge, der immer das stets äußerst intensive Feuer entfacht. Somit ist auch eine Verbindung der Produktion zum Wagnerschen Mythos evident.
Man kann sich heute auf die „Götterdämmerung“ freuen!
(Die vollständige Rezension folgt in Kürze).
Klaus Billand aus Budapest, 19. Juni 2023
Richard Wagner, Der fliegende Holländer, Wagner-Tage, Müpa Budapest