"Capriccio" in Wien: Camilla Nylunds Gesang schwebt im Saal wie eine goldene Windung

Richard Strauss, Capriccio,

Foto: (c) Michael Pöhn
Wiener Staatsoper
, 24. Mai 2018
Richard Strauss, Capriccio
Michael Boder, Dirigent
Marco Arturo Marelli, Inszenierung/Bühne
Camilla Nylund, Gräfin
Markus Eiche, Graf
Wolfgang Bankl, La Roche
Michael Schade, Flamand
Adrian Eröd, Olivier

von Yehya Alazem

„Capriccio“ wurde von den beiden Schöpfern des Werks, dem Komponisten Richard Strauss und seinem Librettisten Clemens Krauss, als „Ein Konversationsstück für Musik in einem Akt“ beschrieben. Es war die letzte Oper von Richard Strauss und feierte ihre Uraufführung in München 1942 während des Zweiten Weltkriegs.

Marco Arturo Marelli bietet an der Wiener Staatsoper eine ausgezeichnete Inszenierung. Er macht die Sache nicht kompliziert, sondern präsentiert eine ziemlich traditionelle, aber dennoch phantasievolle Interpretation, die vom Text und von der Partitur ausgeht. Das wunderschöne Bühnenbild und das Spiel mit dem Licht harmonisieren mit den Orchesterklängen auf wunderbare Art und Weise.

Vom Orchestergraben liefert das Orchester der Wiener Staatsoper unter Michael Boder eine phantastische Leistung und bringt ein detailreiches, wohlfließendes Spiel hervor, das mit einer Balance zwischen symphonischem und kammermusikalischem Gefühl wunderbar klingt. Der Aufbau der Dramatik gelingt Boder und dem Orchester ganz hervorragend an diesem Abend.

In der Rolle des Theaterdirektors La Roche lässt der österreichische Kammersänger Wolfgang Bankl den ganzen Saal erzittern. Sein Bassbariton ist konzentriert, schwer und gewaltig, und er stellt den La Roche voller Dominanz dar. In der Rolle des Grafen ist Markus Eiche überzeugend, sowohl gesanglich als auch darstellerisch. Sein Bariton ist hell, warm und klingt immer sehr angenehm und kontrolliert.

In den wichtigen Rollen der Musiker und Dichter überzeugen Michael Schade und Adrian Eröd nicht vollends. Schade hat eine helle, nicht allzu dramatische aber ausreichende Stimme, die aber keine stabile Höhe hat. Sein Tenor klingt im oberen Register zu eng und angestrengt. Auf der anderen Seite hat Eröd eine bessere Kontrolle über seine Stimme und sein Bariton klingt tief und klar, er liefert aber keine interessante Interpretation in dieser Rolle.

Anstelle der erkrankten Anna Gabler ist Camilla Nylund in der Rolle der Gräfin eingesprungen. Im Januar 2018 hat sie in einer Neuproduktion von „Capriccio“ an der Oper Frankfurt gesungen – diese Rolle könnte ihr kaum besser liegen. Mit ihrem phantastischen, tiefen Timbre und ihrer strahlenden Höhe liefert sie eine wunderbare Verkörperung der Gräfin. Ihr ganz langer Atem und klare, ausdauernde Legati sind bezaubernd, und ihr Gesang schwebt im Saal wie eine goldene Windung. Die Schlussszene der Gräfin ist ein einfach magisch. Eine echte Traumbesetzung!

Yehya Alazem, 25. Mai 2018, für
klassik-begeistert.de

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