Berliner Philharmoniker © Stephan Rabold
Konzertante Aufführung, Philharmonie Berlin, 14. April 2023
Richard Strauss Die Frau ohne Schatten, Oper in drei Akten op. 65
Text von Hugo von Hofmannsthal
Clay Hilley Der Kaiser
Elza van den Heever Die Kaiserin
Michaela Schuster Die Amme
Wolfgang Koch Barak, der Färber
Miina-Liisa Värelä Die Färberin
Cantus-Juvenum Karlsruhe Kinder- und Jugendchor
NPM-Chor Breslau
Die Berliner Philharmoniker
Kirill Petrenko Dirigent
von Peter Sommeregger
Richard Strauss und sein Textdichter Hugo von Hofmannsthal betrachteten diese Oper als ihr opus magnum, die Rezeptionsgeschichte des Werkes war aber eine eher zögerliche. Uraufgeführt in Wien 1919, bald nach dem ersten Weltkrieg, der zu einem harten kulturellen Bruch geführt hatte, wollte sich das Werk lange nicht durchsetzen. Es war Herbert von Karajan, der zum hundertsten Geburtstag von Strauss diese Oper in Wien herausbrachte, in einer Besetzung, die bis heute unübertroffen ist. Danach wagten immer mehr Häuser, das Werk auf den Spielplan zu setzen.
Die fünf Hauptpartien der Oper stellen ungeheure Anforderungen an die Sänger. Für diese Aufführung, die in Baden-Baden auch szenisch gezeigt wurde, hatte Kirill Petrenko eine eindrucksvolle Besetzung auf die Beine gestellt, die ihren Rollen vorzüglich gerecht wurde. Die Amme Michaela Schusters setzte ihren schneidenden Mezzosopran oft nahe der Schmerzgrenze, aber letztlich doch rollendeckend ein. Ihr intensiver Ausdruck entschädigte für den Mangel an schönen Tönen. Solche standen Clay Hilley als Kaiser reichlich zur Verfügung, sein kräftiger Heldentenor bewältigte die tückische Partie nicht nur, er setzte ihr eine Vielzahl tenoraler Glanzlichter auf. Da ist ein neuer Heldentenor herangewachsen, der den Notstand diese Stimmlage betreffend hoffentlich lindern wird.
Für den Färber Barak, der als einzige Figur der Oper einen individuellen Namen trägt, ist Wolfgang Koch eigentlich schon eine Standardbesetzung. Souverän durchmisst der Bariton die dankbare Partie, vielleicht ein wenig zu routiniert in den schönen Kantilenen, die ihm Strauss zugestand.
Entscheidend für das Gelingen einer Aufführung ist die Besetzung der beiden weiblichen Hauptrollen. Elza van den Heever brachte für die Kaiserin den erwünschten glasklaren jugendlich dramatischen Sopran mit, der in den exponierten Lagen auch die nötige Durchschlagskraft besaß. Sowohl in den Ensembles, als auch in ihren großen Soloszenen konnte man die Strahlkraft und Schönheit dieser technisch gut geführten Stimme bewundern.
Als ihre Gegenspielerin, die Färberin war Miina-Liisa Värelä besetzt, die von Stimmfarbe und Temperament genau den beabsichtigten Kontrast zur Stimme der Kaiserin bot. Ihr Timbre ist wärmer, dunkler gefärbt und das Stimmvolumen ausladender. Auch die hochdramatischen Ausbrüche der Partie bewältigte sie ausgezeichnet, nur im dritten Akt begann sie allmählich an ihre Grenzen zu stoßen.
Die kleinen und kleinsten Rollen waren ebenfalls ausgezeichnet besetzt, der Karlsruher Kinderchor und der Breslauer NFM-Chor trugen ebenfalls zum Gelingen der Aufführung bei. Geschickt wurde die zerklüftete Architektur des großen Saales der Philharmonie genutzt, um einzelne Geisterstimmen, aber teilweise auch die Chöre aus der Distanz von exponierten Stellen aus singen zu lassen, was ein faszinierendes Klangerlebnis schuf, wie es auf einer Bühne wohl gar nicht herstellbar ist.
Was die Aufführung aber wirklich zum Ereignis machte, war Kirill Petrenkos Dirigat und das, was der wunderbare Klangkörper der Berliner Philharmoniker daraus machte. Die hoch komplizierte, an Raffinessen reiche Partitur verwandelte sich unter Petrenkos Händen in ein schillerndes, flirrendes, dann wieder streicherselig aufrauschendes Wunderwerk, das Einen staunend hinterließ.
Unbedingt hervorheben muss man das traumhaft schöne und ebenso gespielte Violinsolo in der Szene der Kaiserin, das vom Konzertmeister Noah Bendix-Balgley in eine wunderbare Kantilene verwandelt wurde. Kein Wunder, dass Petrenko ihm am Ende besonders dankte.
Am Ende stehende Ovationen für alle Beteiligten im leider längst nicht ausverkauften Saal.
Peter Sommeregger, 15. April 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Richard Strauss, Die Frau ohne Schatten Berliner Philharmonie, 14. April 2023
Richard Strauss, Die Frau ohne Schatten, Philharmonie Berlin, 1. September 2019