"Die Frau ohne Schatten": Großartige Musik, schöne Stimmen, schöne Bilder, was will man mehr...

Richard Strauss, Die Frau ohne Schatten,  Staatsoper Hamburg

Foto: Westermann (c)
Staatsoper Hamburg
, 5. Januar 2019
Die Frau ohne Schatten
Oper in drei Akten von Hugo von Hofmannsthal (1874 – 1929)
Musik von Richard Strauss (1864 – 1949)

Musikalische Leitung: Kent Nagano
Inszenierung: Andreas Kriegenburg
Bühnenbild: Harald B. Thor
Kostüme: Andrea Schraad
Licht: Stefan Bolliger

 von Teresa Grodzinska

Mir ist es ein Rätsel, wie ich diesen Bericht schreiben soll. Ich habe nichts zu beanstanden. Wie geht es denn ohne Sarkasmus, ohne Besserwisserei? Nur Bewunderung, Friede, Freude, Opernfreude?

Der Abend des 5. Januar, ein Sonnabend, versprach nichts Gutes. Aus unerfindlichen Gründen erschien ich um 15.27 Uhr an der Abendkasse um die Karten abzuholen – in der irrigen Annahme, um 16 Uhr ginge es los. Mein Begleiter schlich derweil um den Eingang herum: alles dunkel, keine Seele, kein Licht, alles zu.

17.30 Uhr, the same place, but how wonderful. Erleuchtete Fassade, mehrere hundert Besucher sind schon da und tun, was die Architekten sich vor 63 Jahren ausgedacht hatten: Sie beleben die Fassade, sie sind die Dekoration. Kurz nach dem Krieg eine sehr schöne Idee.

Erleuchtet geht es auch weiter im Programm. Kaum zu fassen, dass diese streckenweise bedeutungsschwangere Oper in den Zeiten des I. Weltkrieges entstanden ist. Hofmannsthal und Strauss, seit 1909 befreundet, arbeiteten sozusagen über die Gräber des Krieges hinweg an einer Vision der post-kriegerischen Welt.

© Brinkhoff/Mögenburg

Das Resultat diesmal – “Die Frau ohne Schatten”. Hofmannsthal glorifiziert die “ungefährliche” Seite der Sexualität: die gebärfreudige Mutter. Einflüsse von Freud sind unübersehbar; die Inszenierung von Andreas Kriegenburg und das Bühnenbild von Harald B. Thor sind so dicht an dem Freud’schen Modell der menschlichen Psyche angesiedelt wie selten im Theater. Die verschiebbaren Bühnen und Bühnenteile, Alter ego der Protagonisten (bewusster und unbewusster Teil der Psyche), Götter die sich schuldig in die Hütte des Färbers  Barak begeben und – ungewollt – die Liebe, das Leid, das Leben auf der Erde zum ersten Mal erfahren. Alles ist erdig, leicht verdreckt und überhaupt nicht göttlich, steril, aber warm, weich und hoffnungsvoll.

Großes Kino, Herrschaften. Unbedingt empfehlenswert! Ich glaube, ich sollte nochmal hin.

Musikalisch war dies die erste Oper, die mich wirklich entzückt hat. Die Form und der Inhalt, die Musik und die Figuren, die Leiden und die Wirren der Suche nach dem Sinn des Lebens – alles in formidable, sehr an Wagner angelehnte Musik von Strauss gegossen.

Keine Déjà-vus und kein Warten auf mir bekannte Arien, kein unterdrücktes Gähnen bei ewigen Rezitativen, keine Stimmakrobatik. Großartige Musik, schöne Stimmen, schöne Bilder, was will man mehr…  Unser aller Kent Nagano wie ausgewechselt! Sensibel, zurückhaltend, auf Sänger eingehend – ein Genuss. Das Orchester mit Leib und Seele dabei. Die Strauss’sche Fülle des Klangs trägt die Künstler und uns viel besser als manch ambitionierter Komponist vor und nach ihm in … andere Welten. Hier versagen die Worte, zu Recht.

Die Idee, dass die zu gebärenden Kinder (das einzige, was einen Bund von Mann und Frau rechtfertigt) die Seelen der Verstorbenen sind, die zurück auf die Erde dringen, also die Idee der Reinkarnation, war in der Zeit der ausbrechenden neuen Welt tröstlich und trägt … bis heute. Nur so ist die Faszination, die diese Oper auf uns alle ausübt, zu verstehen.

Langer, warmer, satter Applaus für alle.

Teresa Grodzinska, 7. Januar 2019, für
klassik-begeistert.de

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