Diese Elektra ist ein wunderbarer Abschluss zum Strauss-Wahnsinn der Deutschen Oper

Richard Strauss, Elektra (1909)  Deutsche Oper, 1. April 2025

Elektra © Bettina Stoess

Nach fünf Opern und zwei Konzerten enden die Strauss-Wochen an der Deutschen Oper. Die finale Vorstellung zeigt, wie wunderbar das Orchester klingen kann. Starke Sänger und stimmige Regie sorgen für ein Grand Finale.

Richard Strauss
Elektra (1909)

Musikalische Leitung:  Thomas Søndergard
Orchester der Deutschen Oper Berlin

Inszenierung:  Kirsten Harms
Bühne, Kostüme:  Bernd Damovsky

Deutsche Oper, 1. April 2025

von Arthur Bertelsmann

Mit Elektra geht der Richard Strauss-Exzess der Deutschen Oper zu Ende,
fünf Opern des Komponisten konnte das Publikum in den letzten 30 Tagen sehen: Die Frau ohne Schatten, Intermezzo, Arabella, Salome und final nun Elektra.

Ein passendes Ende der Strauss-Welle. Nie arbeitete das Duo Strauss-Hofmannsthal so perfekt zusammen, selten schmiegt sich Musik so perfekt an Libretto und umgekehrt.

Kirsten Harms’ Inszenierung weiß das und lässt Musik und Libretto für sich sprechen, Harms verzichtet auf bunte Kostüme und dekoriertes Bühnenbild und lässt Elektra in einem kargen, brutalistischen Raum spielen, einem Ort zwischen Gefängnis und megalomanischen Schloss.

Auch die Kostüme (Bernd Damovsky) bleiben – bis auf Klytämnestra Claudia-Roth-haftes Gewand – völlig schmucklos.

Die Inszenierung fokussiert sich so vollkommen auf das psychische Leiden rund um Elektra, Chrysothemis und Klytämnestra. Auch das abweisende Bühnenbild macht deutlich: Ob die dekadente Klytämnestra oder die in Armut lebenden Mägde – alle an diesem von Wahn beherrschten Königshof sind asozial und brutal. Eine zwar simple, aber nicht unterkomplexe Umsetzung des Stoffs. Jedoch ist die Schmucklosigkeit mit psychologischem Fokus auch riskant.

Elektra © Bettina Stoess

Elektra ist mit ihren 100 Minuten zwar kurz, kann sich aber durch ihre Ereignislosigkeit mitunter heftig ziehen. In der ersten Stunde passiert im Plot gar nichts, und genau dann braucht es eine spannende Personenregie, die den Zuschauer bei der Stange hält, das Abgründige dieser Oper verdeutlicht. Regisseurin Harms gelingt dies leider nur zum Teil. In den Duett-Szenen zwischen Chrysothemis und Klytämnestra funktioniert das noch, aber gerade in den Soloszenen wirkt die von Elena Pankratova gespielte Elektra verloren und mit der Szenerie überfordert – schlecht, wenn sie in solchen Augenblicken genau das Gegenteil besingt.

Zusätzlich problematisch ist, dass Pankratovas Elektra nur bedingt überzeugen kann. Keinesfalls singt die Russin die mordschwere Partie schlecht, jedoch bleibt eine ausgefeilte Charakterisierung der eigentlich enorm ambivalenten Elektra aus.

Elektra © Bettina Stoess

Das fällt vor allem deswegen auf, da Dirigent Thomas Søndergard und das Orchester der Deutschen Oper an diesem Abend so fabelhaft spielen. Technisch makellos, berührend einfühlsam und hoch atmosphärisch dringt es da aus dem Orchestergraben.

Gerade in den letzten Strauss-Opern der Deutschen Oper konnte das Orchester nicht überzeugen, die Salome blieb einfallslos und Arabella blubberte belanglos vor sich hin. Anders bei der Elektra: mal bremst Søndergard ab, mal prescht er heftig voran. Nie vergessen Søndergard und das Orchester bei den Tempiwechseln die Bühne, jeder Wechsel passt perfekt zum Geschehen.

Zum Glück bleibt Pankratovas Elektra die Ausnahme an diesem Abend. Doris Soffel als Klytämnestra ist eine von Paranoia zerfressene Königin, die sich ihr eigenes Ende noch mehr herbeisehnt als ihre Tochter Elektra. Völlig anders der von Tobias Kehrer gesungene Orest: Kehrers unwirklich tief dröhnender Bass lässt keinen brutalen Muttermörder sondern eine außerweltliche, von Göttern gesandte Gestalt erkennen. Höhepunkt ist jedoch die von Camilla Nylund gesungene Chrysothemis.

Elektra © Bettina Stoess

Ohne Wackler und mit perfekter Textverständlichkeit zeichnete die finnische Sopranistin die Schwester der Titelfigur als selbstbewusste, realistische Strategin, die das irre Königspaar nicht mit dem Beil, sondern durch Intrigen beseitigen will.

Am Ende donnernder Applaus für alle Beteiligten. „Wo wart ihr die letzten Wochen?“ möchte man neben Bravo rufen.

Arthur Bertelsmann, 2. April 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Besetzung:

Klytämnestra:  Doris Soffel
Elektra:  Elena Pankratova
Chrysothemis Camilla Nylund
Aegisth Burkhard Ulrich
Orest:  Tobias Kehrer

Richard Strauss, Intermezzo (1924) Deutsche Oper Berlin, 13. März 2025

Richard Strauss, Die Frau ohne Schatten Deutsche Oper Berlin, 30. Januar 2025

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