Seung-Won Oh, Klaus Mäkelä, Royal Concertgebouw Orchestra © Sebastian Madej
Auf einem Empfang habe ich Pawel Kisza gefragt, wie Sternstunden zustande kommen. Also Konzerte, die zutiefst bewegen. Welche Dirigenten verfügen über die erforderliche magische Gabe? Seine Antwort, wie aus der Pistole geschossen: Klaus Mäkelä. Die Antwort hat Gewicht, Kisza ist Stimmführer der 2. Violinen der Symphoniker Hamburg. Und hat unter Mäkelä im Lucerne Festival Orchestra gespielt.
Royal Concertgebouw Orchestra
Klaus Mäkelä / Dirigent
Arnold Schönberg / Verklärte Nacht op. 4 (Fassung für Streichorchester)
Gustav Mahler / Sinfonie Nr. 1 D-Dur
Elbphilharmonie, 2. April 2025
von Jörn Schmidt
Mich hat das überrascht, denn ich bin überzeugt: Sternstunden sind selten. Wenn sie passieren, dann steht ein altersweiser Dirigent am Pult. In der Regel kein Jet-Set-Star. Sondern jemand, der die deutsche Kapellmeistertradition lebt.
Natürlich müssen weitere Umstände hinzukommen. Loslassen + Erfahrung + Risiko + Publikum sind für Jan Vogler die Voraussetzungen dafür, dass ein besonderer Moment gelingen kann. Sie können das in meinem Interview mit dem Cellisten hier bei Klassik-begeistert nachlesen.
Klaus Mäkelä ist inzwischen 29 Jahre alt. Ein Jahr älter als im Dezember 2024, als er sich in der Elbphilharmonie mit Gustav Mahlers Sinfonie Nr. 6 a-Moll verhoben hat. Trotz großzügiger Unterstützung der Wiener Philharmoniker.
Mit der Meinung stand ich übrigens nicht alleine da. Der wertgeschätzte Kollege Patrik Klein war seinerzeit auch enttäuscht von dem gehypten Superstar aus Finnland. Sowieso, Mäkelä und Mahler, das ist so eine Sache. Das gibt öfter mal schlechte Kritiken.
Tempi passati, heute nahm Mäkelä in der Elbphilharmonie einen neuen Anlauf auf die Spätromantik. Dieses Mal mit dem Royal Concertgebouw Orchestra. Verklärte Nacht gilt als Schlüsselwerk des Übergangs zwischen Spätromantik und Atonalität. Das der Orchesterfassung zugrunde liegende Streichsextett war zugleich die erste kammermusikalische Programmmusik.

Schönberg hat sich zu der Musik durch ein Gedicht von Richard Dehmel inspirieren lassen. Es geht um eine Liebe, die so groß ist, dass sie ohne Wenn und Aber verzeihen kann. Die Interpretation erfordert einen süffigen Streicherklang und ein mystisches Klangbild, hätte ich gedacht.
Gleichzeitig darf die Spannung nicht abreißen, es muss Raum für Steigerungen bleiben. Hier das Tempo verzögern, dort die Dynamik erweitern. Mäkelä hatte einen anderen Ansatz. Die Streicher geschärft, wie auf der Stuhlkante sitzend.
Das Klangbild klar und durchhörbar. Dabei höchst fokussiert auf die Spannungsbögen und mit einer hohen dynamischen Spannbreite. Ganz und gar kein süffig-mystisches Klangbild. Dafür Hochspannung pur.
Dieser Ansatz taugte auch Gustav Mahlers Sinfonie Nr. 1 D-Dur hervorragend. Im Grunde die gleiche Herangehensweise wie neulich bei Mahler 6. Nur dieses Mal hatte Mäkelä ein untrügliches Gespür für die unterschiedlichsten Stimmungen der Partitur. Was sich gut in den Klangfarben widerspiegelte.

Eine Mahler-Sternstunde geriet trotzdem nicht. Weil alles zu perfekt sein sollte und Mäkelä nie wirklich loslassen konnte. So wie im Unternehmen Risk Manager und Controlling das Management der Unternehmensrisiken steuern.
Allein, die Interpretation von Mahlers Sinfonien verträgt Perfektionismus nicht. Denn Perfektion würde bedeuten, alle Geheimnisse der Partitur zu kennen. Da fragen Sie mal einen altersweisen Kapellmeister, ob das bei Mahler möglich ist…
Jörn Schmidt, 2. April 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Klein beleuchtet kurz 54: Klaus Mäkelä rockt die Elphi Elbphilharmonie, 2. April 2025
Klein beleuchtet kurz 50: Mäkelä und die Wiener Philharmoniker Elbphilharmonie, 17. Dezember 2024
Klaus Mäkelä und Oslo Philharmonic Elbphilharmonie, 2. November 2024