Vergewaltigtes Gold: Das Harz Theater in Halberstadt überzeugt mit Wagners „Rheingold“ 

Richard Wagner (1813 – 1883), Das Rheingold  Harz Theater, Großes Haus, Halberstadt, 21. April 2024

Rheingold, Harz Theater

Richard Wagner (1813 – 1883)
Das Rheingold
In deutscher Sprache mit Übertiteln

Libretto vom Komponisten
Uraufführung 1870 in München

Harz Theater, Großes Haus, Halberstadt, 21. April 2024

von Dr. Bianca Maria Gerlich

Das Harz Theater mit dem Großen Haus in Halberstadt habe ich schon in den 1990er Jahren regelmäßig besucht und fand die damaligen Aufführungen stets von hoher Qualität. Wie ich nun nach einigen Jahren Abwesenheit feststellen konnte, sind die Qualität und das Engagement sowie viele Mitwirkende diesem Haus zum Glück erhalten geblieben.

Da ist zum Beispiel Bettina Pierags, seit 1985 Ensemble-Mitglied, die ich in vielen verschiedenen Rollen erleben durfte, diesmal hatte sie die Floßhilde übernommen und fügte sich wunderbar in ein wohlklingendes und überzeugendes Rheintöchter-Trio, zu dem noch Bénédicte Hilbert (Woglinde) und Anna Matrenina (Wellgunde) gehörten. So gelang der Gesang der drei Rheintöchter sehr harmonisch, was nicht selbstverständlich ist, wie ich kürzlich in einer anderen „Rheingold“-Aufführung erlebt habe.

Die Aufführung „Das Rheingold“ ist für die Bühne in Halberstadt mit Sicherheit ein ehrgeiziges Vorhaben gewesen, aber eins, das gelungen ist, weil alle dazu beitragen wollten. Das merkte man auch daran, dass die Sänger und Sängerinnen wegen ihrer Einsätze sehr selten zum Dirigenten sahen, sondern lieber dem jeweils entsprechenden Gegenüber ins Gesicht und dabei spielfreudig agieren konnten. Da muss intensiv geprobt worden sein, damit es so aufgeführt werden konnte.

Man wollte hauptsächlich auf Hauspersonal zurückgreifen, das ist bis auf die Kammersängerin Gerlind Schröder (als Erda), Valentin Anikin (als Fasolt) und Anna Matrenina (als Wellgunde) als Gäste auch gelungen, und gerade drei Ensemble-Mitglieder sangen so überzeugend, dass ich sie mir auch in  Berlin, Wien und anderen großen Bühnen gut vorstellen kann.

Zuerst wäre da Francisco Huerta als Mime, der die raumgreifendste Stimme von allen hatte und damit den rechteckigen Backsteinbau gut ausfüllte. Seine Stimme gefällt, er singt verständlich und mit passendem Ausdruck zur Rolle.

Samuel Berlad, Francisco Huerta, Rheingold, Harz Theater

Auch von Tobias Amadeus Schöner als Loge lässt sich Vergleichbares berichten, seine Stimme klingt etwas heller als die von Huerta, manchmal auch leicht nasal. Er wusste seine etwas verfremdete Rolle ausdrucksstark zu gestalten. Dieser Loge war zwar wie oft üblich in leuchtendes Rot gekleidet, erinnerte aber mit Melone, Gehstock (der sich gut als alles Mögliche zweckentfremden ließ) und Schnauzbart an Charlie Chaplin und war eher ein komödiantischer Loge als ein verschlagener.

Jessey-Joy Spronk, Tobias Amadeus Schöner,

Als Dritte ragte Jessey-Joy Spronk als Freia heraus. Sie sang sehr klar und schlank, mit Durchschlagskraft und einer zur Rolle passenden Stringenz, die sie zur eigentlichen Chefin des Götterclans werden ließ. Diese Fricka wusste, was sie wollte und wie sie ihren Willen bei ihrem Gatten durchsetzen kann. Die Stimme von Frau Spronk fügte sich wunderbar in diese Interpretation.  Auch die anderen Sänger und Sängerinnen des Harzer Theaters überzeugten in ihren Rollen und gestalteten sie mit Hingabe. Als Fafner ist dankenswerterweise Kakhaber Shavidze eingesprungen, der die Rolle gerade in Erfurt singt.

Die musikalische Leitung hatte Johannes Rieger, der seine Musiker sicher durch den Abend führte. Als einziges missfiel mir das Vorspiel, da waren die Bläser zu präsent und der feine Zauber der  Rheinmusik entspann sich nicht. Zum Glück wurde es danach besser und blieb auf relativ hohem Niveau für den Rest des Abends.

Wie schon in Zürich, Bayreuth und auch Braunschweig gesehen, spielte „Das Rheingold“ quasi im Wohnzimmer der Götter, die gerade mit Kisten und Kartons am Umziehen sind. Große Häuser haben da natürlich mehr Möglichkeiten, die Drehbühne in Zürich ist einfach perfekt, um die verschiedenen Szenen zu präsentieren. In Halberstadt blieb es bei dem einen weißen Raum, der in Szene 1 mit dem Rheingold-Podest in der Mitte und in Szene 3 mit dem Schmiedeofen vorn entsprechend umfunktioniert worden war.

Sehr beeindruckend war die Darstellung des Goldes: zunächst ein großes goldenes Tuch, das dann prima als Tarnkappe verwendet werden konnte, und dann einige ganz in Gold gekleidete Tänzerinnen, die kreisförmig aneinander vorbei waberten und fast androgyn erschienen. Umso verwerflicher erschien es, dass sie dann in Szene 3 zusätzlich mit schwarzen Dessous und High Heels erschienen, das Gold ist quasi vergewaltigt worden. Der Raubbau an der Natur wird uns zum Verhängnis.

Zum Schluss deutete Loge an, wie es in der „Götterdämmerung“ enden wird: Er setzte sich zu den wieder als germanische Figuren mutierten Götter, als die sie anfangs quasi als Rollenspielcharaktere aufgetreten waren, in Walhall dazu, zog ein Feuerzeug heraus und zündete eine Flamme. Walhall wird also einst brennen. Szenisch wie musikalisch war das – auch ohne große Namen! – ein sehr überzeugender und anregender Abend.

Dr. Bianca M. Gerlich, 24. April 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Richard Wagner (1813 – 1883), Das Rheingold Hessisches Staatstheater Wiesbaden, 28. März 2024

Ring-Zyklus I, Das Rheingold und Die Walküre Staatsoper Unter den Linden, 18. und 19. März 2024

“Das Rheingold”, Richard Wagner Queensland Performing Arts Centre, Brisbane, 1. Dezember 2023

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