Rattles Ringen um Wagners „Ring“

Richard Wagner: Das Rheingold, Die Walküre, Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks Sir Simon Rattle  CD-Besprechung

„Diese beiden ersten Teile des Rings profitieren von der hervorragenden Qualität des Orchesters, die Sängerbesetzung zumindest der Walküre ist äußerst problematisch. Sollte dieses Ring-Projekt tatsächlich weitergeführt werden, müsste eine überzeugendere Besetzung gefunden werden. Und Simon Rattle sollte sich selbst vielleicht die Frage stellen, ob er sich mit Wagner-Dirigaten einen Gefallen tut.“

Richard Wagner: Das Rheingold, Die Walküre (BR Klassik 900133, 900177)

Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Sir Simon Rattle

von Peter Sommeregger

Bei den Festspielen von Aix en Provence schmiedete Sir Simon Rattle in den Jahren 2006 bis 2009 seinen ersten „Ring des Nibelungen“, der auch bei den Salzburger Osterfestspielen gezeigt wurde. Mit seinem Orchester, den Berliner Philharmonikern, wollte er so etwas wie ein Remake des Karajan-Rings der 1960er-Jahre veranstalten. Die Resonanz bei Publikum und Kritik blieb allerdings verhalten. Sir Simon will nun offenbar noch einen Versuch wagen, diesmal in Form von konzertanten Aufführungen mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, verteilt über mehrere Jahre und zur Veröffentlichung auf CD vorgesehen.

Den Anfang machte 2015 das „Rheingold“. Hier besticht bereits zu Beginn das saubere Spiel der Bläser, selten hat man diese heikle Passage ohne wackeln und Kickser gehört. Rheingold ist eindeutig eine Ensembleoper, die Last der stimmlichen Anforderungen ist auf viele Schultern verteilt.

Harmonisch besetzt ist das Rheintöchter-Terzett mit Mirella Hagen, Stefanie Irany und Eva Vogel, Tomasz Koniecznys Alberich hat lediglich in der Textbehandlung noch Defizite. Dominante Figur ist natürlich der kräftig und sonor gesungene Wotan Michael Volles, dem auch die tückischen Höhen der Partie mühelos und schön gelingen. Ihm zur Seite die Fricka Elisabeth Kulmans, die ihrem warm timbrierten Mezzo viele Farben entlocken kann. Burkhard Ulrich ist ein markant und textdeutlich artikulierender Loge, er wird der Rolle des Strippenziehers sehr gut gerecht.

Herwig Pecoraro verleiht dem Mime genau die markante Charakterisierung, die für diese Figur wünschenswert ist, Christian van Horn ist mit seinem kräftigen Bassbariton ein tatsächlich donnernder Donner.

Weniger gefallen kann Annette Dasch als etwas wehleidige Freia mit Tremolo, blass und etwas monoton bleibt Janina Baechle als Erda. Benjamin Bruns als Froh singt zwar schön, aber mit zu kleinem Tenor, er verschenkt leider dadurch die wunderschöne Stelle „Zur Burg führt die Brücke“.

Enttäuschend fällt der finale Einzug der Götter nach Walhall aus, da rumpelt es nur ein wenig monoton im Orchester. Man wird den Eindruck nicht los, Wagners große Tableaus wären Simon Rattles Sache nicht.

Mit einigem zeitlichen Abstand setzt Rattle das Ring-Projekt 2019 mit der „Walküre“ fort, offenbar soll über die Jahre ein kompletter Zyklus auf Tonträgern erscheinen.

Als blutschänderischem Zwillingspaar begegnen wir nach verhalten stürmischer Einleitung Stuart Skelton, dem inzwischen hoch begehrten neuen Wagnerhelden aus Down Under. Er verfügt durchaus über den für den Siegmund erforderlichen heldischen Tenor, passagenweise klingt seine Stimme aber ein wenig belegt, die Wälse-Rufe fallen ein wenig monoton aus, das finale „Wälsungenblut“ hält er länger, als es vorgesehen ist.

War Eva Maria Westbroeks Sieglinde in Aix und Salzburg noch ein Aktivposten der Besetzung, so bereitet ihre verschlissene, vibratoreiche Stimme mittlerweile wenig Freude. Die Gesangslinie franst immer wieder aus und mit dem zeitweise ebenfalls flackernden Zwillingsbruder Skelton klingt das Liebesduett eher nach harter Arbeit, als nach inzestiöser Leidenschaft. Der vokal problematische Hunding Eric Halfvarsons, dessen Bass gehörig „wobbelt“, trägt auch nicht gerade zur Freude des Hörers bei.

Zu Beginn des zweiten Aktes wird man nach James Rutherfords sich eher gemütlich gebendem Wotan mit dem Schlachtruf Brünnhildes in der Gestalt Irene Theorins deutlich an das Elend des Mangels an überzeugenden Wagner-Stimmen erinnert. Theorin singt diese Partie derzeit weltweit, was nicht so sehr für ihre stimmlichen Qualitäten, viel eher für den erwähnten Mangel spricht.

Elisabeth Kulman als Fricka übertrifft Wotan und Brünnhilde deutlich mit kultiviertem Gesang und vermag aus ihrer einzigen Szene ein Optimum an Präsenz und vokaler Vitalität herauszuholen. In der Todverkündung stehen sich mit Skeltons heldischem Stimmvolumen und der sehr textundeutlich singenden, verbrauchten Stimme Theorins starke Gegensätze gegenüber, am Ende des Aktes sind von Eva Maria Westbroek einige sehr unschön scharfe Töne zu hören.

Der Walkürenritt zu Beginn des dritten Aktes gelingt dagegen hervorragend. Die acht Walküren sind stimmlich vorzüglich aufeinander abgestimmt und bilden ein Ensemble von in diesem Stück selten gehörter Ausgewogenheit.

Sobald sich aber nur noch Wotan und Brünnhilde gegenüber stehen, werden die Defizite beider Stimmen immer deutlicher. Theorin kann ihr starkes Vibrato kaum bändigen, was noch zusätzlich die Textverständlichkeit erschwert und eine in diesen Passagen wünschenswerte differenzierte Phrasierung fast unmöglich macht. Rutherford dagegen, der bis dahin solide, wenn auch farblos agierte, fehlt es bei Wotans Abschied schlicht an dem notwendigen Volumen.

Rattle zerdehnt die letzten Szenen der Oper auch über Gebühr. Sein insgesamt lyrischer Ansatz bringt durchaus einige schön musizierte Passagen hervor, gleichzeitig vermisst man aber den dramatischen Biss, der für dieses Werk unerlässlich ist.

Diese beiden ersten Teile des Rings profitieren von der hervorragenden Qualität des Orchesters, die Sängerbesetzung zumindest der Walküre ist äußerst problematisch. Sollte dieses Ring-Projekt tatsächlich weitergeführt werden, müsste eine überzeugendere Besetzung gefunden werden. Und Simon Rattle sollte sich selbst vielleicht die Frage stellen, ob er sich mit Wagner-Dirigaten einen Gefallen tut.

Peter Sommeregger, 30. April 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

2 Gedanken zu „Richard Wagner: Das Rheingold, Die Walküre, Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks Sir Simon Rattle
CD-Besprechung“

  1. in aix und salzburg mit dem ring gescheitert, bekommt der blasse dirigent eine dritte „plattform“ um sein nichtkönnen zu demonstrieren?
    die klassik hat anscheinend noch immer zu viel geld, welches so verludert wird. warum macht man dem schrecken kein ende gibt das geld für siegfried und Götterdämmerung den freischaffenden klassik-künstlern, die durch corona einkommensverluste haben?

    Fred Keller

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