Klaus Florian Vogt, Michael Volle und Günther Groissböck sind die Meistersinger von Bayreuth

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Foto: Copyright: Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele
Richard Wagner, Die Meistersinger von Nürnberg
Bayreuther Festspiele
, 28. Juli 2018

Live ist Wagner am besten. Es geht nichts über die superbe Akustik im Großen Festspielhaus in Bayreuth. Wer am Samstag dabei war bei der zweiten Aufführung der „Meistersinger von Nürnberg“, durfte sich glücklich schätzen. Es war ein phantastischer, sinnlicher und stimmungsvoller Abend auf dem Grünen Hügel – diesen Sound und dieses Bühnenspiel kann kein Kino und kein Livestream (wie bei der Premiere des „Lohengrin“ am Mittwoch) bieten.

klassik-begeistert.de verfolgte die 4,5 Stunden dauernde Oper in Reihe 26 im Parkett. Und muss die Worte vom Vorjahr wiederholen: Die Solisten und der Chor waren die Stars des Abends. Der Chor war von Eberhard Friedrich, dem Chordirektor der Oper Hamburg, ganz hervorragend vorbereitet worden. Stimmlich und schauspielerisch war das eine Weltklasse-Leistung!

Das Orchester der Bayreuther Festspiele musizierte unter Philippe Jordan auf Weltklasse-Niveau in flüssigen, zügigen Tempi mit sehr viel Spielfreude. Es war eine große Freude, allen Orchesterteilen zuzuhören – genau so geht Wagner! Leider herrschte beim herausragenden, hochromantischen Vorspiel zum dritten Aufzug nicht absolute Ruhe.

Noch einen Tick besser als im Vorjahr war der Tenor Klaus Florian Vogt als Ritter Walther von Stolzing. Vogt sang makellos. Rein. Frisch. Herausragend. Weltklasse! Besser kann man den Stolzing nicht singen. Klar, fein, in den Höhen atemberaubend sauber und kraftvoll. Bis zum Ende überzeugte der 48-Jährige mit bombastischer Kondition, mit Klangschönheit und –fülle. Herr Vogt, das war – wieder einmal – eine Sternstunde in Bayreuth. Möge Ihre gesegnete Stimme die Menschen noch viele Jahre verzaubern.

Herausragend war auch die Leistung des Baritons Michael Volle als Schustermeister Hans Sachs. Der Facettenreichtum seiner Stimme war zutiefst beeindruckend. Macht- und kraftvoll, souverän und mit phantastischen Zwischentönen. Weltklasse! Nur ganz zum Schluss im dritten Aufzug war zu spüren, dass Volle vollends an seine Kraftreserven gegangen war an diesem denkwürdigen Abend. Die ganz hohen Töne sind seine nicht mehr so ganz. Trotzdem: Besser kann man den Schuster Hans Sachs nicht singen: Weltklasse! Mailand, London, New York, Berlin, München und Bayreuth: Michael Volle ist nur an den besten Opernhäusern der Welt zu hören.

Auch der Bass Günther Groissböck als Goldschmied Veit Pogner lieferte wie bei der Premiere eine Weltklasseleistung ab. Er zog die Zuhörer und Zuschauer mit seiner väterlichen Stimme in den Bann. Amazing! Auch im höheren Register überzeugte er mit einem tollen Timbre. Seine Kernkompetenz ist aber der mittlere und tiefere Bereich: Kernig und volltönend! Sehr entspannend. Der Österreicher war an diesem Abend der Sänger mit dem größten Magie-Faktor, mit der größten energetischen Ausstrahlung. Dieser Ausnahmesänger sollte in Bayreuth schleunigst noch größere Partien singen!

Einen sehr guten David gab der Tenor Daniel Behle. Sehr präsent und sehr präzise sang der gebürtige Hamburger (Jahrgang 1974) als Lehrbube von Hans Sachs – immer wieder berührte er mit ganz herausragenden Passagen und wunderbarer Strahlkraft, wobei ich ihn im Vorjahr noch stärker fand.

Sehr gut, nuancenreich, mit viel Spielwitz und Stimmenreichtum agierte auch der Bariton Johannes Martin Kränzle als Stadtschreiber Sixtus Beckmesser. Es war aber nicht sein allerbester Tag, im höheren Register leistete er sich einige Fehltöne. Möge er in den folgenden Aufführungen an seine grandiose Leistung des Vorjahres anknüpfen.

Gewaltig aufhorchen ließ vom ersten Ton an die Mezzosopranistin Wiebke Lehmkuhl, Evas Amme: in der Höhe brillant und mit sehr angenehmem Timbre auch in der Tiefe. Sie hat sich im Vergleich zum Vorjahr noch einmal verbessert und ist auch bestens geeignet für größere Aufgaben.

Die einzige Fehlbesetzung des Abends war – wie im Vorjahr die Sopranistin Anne Schwanewilms – die US-Amerikanerin Emliy Magee als Eva, Pogners Tochter. Ihr fehlte jeglicher jugendlicher Glanz und jegliche Frische in der Stimme. Die 52-Jährige bekam denn auch den dezentesten Beifall des Publikums und keine Bravi. Einige Töne sang sie falsch an, von Strahlkraft in der Höhe keine Spur. Oft klang Magee sehr gepresst und nicht frei im Ausdruck. Auch war die Artikulation der renommierten Sängerin, die nur an wirklich bedeutenden Häusern singt, sehr undeutlich und schwammig. Ihr Text war gar nicht zu verstehen, ja, es blieb unklar, in welcher Sprache die Sopranistin sang. Ihre Leistung fiel im Vergleich mit den anderen hervorragenden Sängern deutlich ab. Die Bayreuther Festspiele können sicher spielend deutlich bessere Sängerinnen engagieren.

Die Inszenierung des Australiers Barrie Kosky, Intendant und Chefregisseur der Komischen Oper Berlin, ist die beste, agilste, vitalste und packendste der letzten Jahre auf dem Grünen Hügel. Ein Meisterwurf. BR-Klassik schrieb im Vorjahr trefflich: „Barrie Kosky inszeniert eine Reise durch den Wahn. Der Wahn wohnt in einem Charakterkopf, auf dem ein schwarzes Samtbarett sitzt. Wagner liebte solche Kappen. Damit sah er fast wie Rembrandt aus. Nicht weit vom Festspielhaus, in der Villa Wahnfried, kann man heute in den rekonstruierten Räumen die originalen Mützen des Meisters bewundern. Dort, bei Wagners Zuhause, beginnt auch Koskys Meistersingerinszenierung. Schon während der Ouvertüre bevölkert sich der Raum. Schwiegervater Franz Liszt greift in die Tasten. Gattin Cosima hat Migräne. Und dann kommt auch noch Dirigent Hermann Levi zu Besuch, den Wagner als Künstler achtet und als Menschen quält, weil er Jude ist. Man spricht ein neues Werk durch, singt und spielt: die Meistersinger.

Wagner, der solche Privataufführungen liebte, verteilt die Rollen. Liszt verwandelt sich in Pogner, Cosima in Eva. Wagner selbst steht mehrfach auf der Bühne. Als junger Mann ist er Stolzing, als alter Sachs. Diese ersten Minuten sind grandios. Temporeich, treffsicher und bitterböse – etwa, wenn alle niederknien, um die deutsche Kunst anzubeten. Nur der Jude Levi wird ausgeschlossen, fremd gemacht, ins Abseits gestellt. Klar, dass ihm die Buhmann-Rolle des Beckmesser zufällt.“

Andreas Schmidt, 29. Juli 2018,
klassik-begeistert.de

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