Parsifal, Bühnenbild (Achim Freyer) 2. Aufzug © Hans Jörg Michels
Tempi passati: Wie wäre es mit Wagners Parsifal in Ernst Fuchs’ genialen Bühnenbildern?
Von den sechs seit 1914 im Hamburger Opernhaus gezeigten Parsifal-Inszenierungen habe ich seit 1968 vier gesehen. Ohne jeden Zweifel war jene des damaligen Opernintendanten August Everding in den Bühnenbilder von Ernst Fuchs (1976) die mit großem Abstand beste.
Parsifal, Bühnenweihfestspiel in drei Aufzügen
Musik und Text von Richard Wagner
Inszenierung, Bühne, Kostüme und Licht: Achim Freyer
Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Leitung Patrick Hahn
12. Vorstellung seit der Premiere am 16. September 2017
Hamburgische Staatsoper, 27. April 2025
von Dr. Ralf Wegner
Der erste Aufzug von Wagners Heilsbringeroper Parsifal hängt schon arg durch. Vor allem wenn dem Haus für die Partie des Gurnemanz keine so charismatischen und allein schon gesanglich die Spannung hochhaltenden Bässe wie Martti Talvela, Kurt Moll oder Peter Rose zur Verfügung stehen. Der auf sein 60. Lebensjahr zugehende südkoreanische Bass Kwangchul Youn gestaltete die Erzählung des Gurnemanz relativ emotionslos und sängerisch leider mit erheblich störendem Vibrato. Inszenierungsbedingt gab es für ihn aber auch keine Möglichkeit, sich mimisch oder darstellerisch stärker einzubringen.
Denn sein Gesicht war bis zur Unkenntlichkeit überschminkt, wie auch bei den anderen Protagonisten. Und Achim Freyer, der für das Gesamtkonzept verantwortlich zeichnete (Inszenierung, Bühne, Kostüme und Licht), setzte stark auf ein statisch dominiertes Bewegungskonzept. Nur Parsifal durfte ab und an mal über die Bühne laufen, um zu demonstrieren, dass er sich im Gralstempel nicht auskannte.
Benjamin Bruns (Parsifal) war wohl der beste der fünf Protagonisten dieses Bühnenweihfestspiels. Mit seinem eher hell timbrierten Stimmklang lag er gut über dem Orchester und konnte bei dem Schlussgesang Nur eine Waffe taugt genügend Wohlklang erzeugen. Zudem trübte kein störendes Vibrato seinen Vortrag. Die Stimme klang stets frisch und jugendlich.
Iréne Theorin war als Kundry völlig unkenntlich in ein bodenlanges Zottelkostüm gesteckt worden. Umso weniger konnte sie mimisch oder darstellerisch von ihrer nicht mehr ganz jugendlich klingenden, sehr vibratogetrübten Stimme ablenken. Im zweiten Aufzug, bei mehr dramatischem Stimmeinsatz, gelang ihr aber immer noch eine überzeugende gesangliche Leistung. Eine einsame Missfallenskundgebung am Ende des Werks mag insgesamt gerechtfertigt gewesen sein. Amfortas wurde von dem Hamburger Kammersänger Christoph Pohl mit genügend Durchschlagskraft, aber relativ farbarm gesungen. Der britische Bariton Mark Stone erwies sich als sehr guter Klingsor und die Stimme des Basses Han Kim konnte sich als Titurel besser durchsetzen, als wir es bei früheren Aufführungen (als Eremit im Freischütz, als Colline in La Bohème) erleben konnten.

Der Chor klang hervorragend, besser noch die Blumenmädchen. Unter ihnen ragte eine mit warmer voller, weit in den Raum strahlender Stimme von berückender Farbschönheit hervor. Wenn ich mich nicht irre, war es die Sängerin mit der regenbogenfarbenen Federkrone auf dem Kopf. Das Philharmonische Staatsorchester unter der Leitung des erst 29-jährigen Wuppertaler Generalmusikdirektors Patrick Hahn ließ es im ersten Aufzug an dynamische Differenzierung missen. Anders als im prononcierter gespielten 3. Aufzug blieb die eigentlich emotional ergreifende Gralsenthüllung im Ungefähren stecken. Im dritten Aufzug hatte sich das Orchester besonnen und erzeugte ein fast exponentiell an- und abflauendes Konzerterlebnis.
Das Haus war nicht gut besucht. Das mag auch an dem seit Wochen schönen sonnigen Wetter in Hamburg liegen. Wer mag da schon am Sonntagnachmittag bei gefühlt fast 20 Grad Celsius und blauem Himmel in das dunkle Opernhaus gehen. Und dunkel blieb es innen auch. Achim Freyer hat zwar eine diskussionswürdige, nie langweilige Inszenierung abgeliefert, aber richtig hell wurde es trotz zahlreicher optisch bneeindruckender Farbspielereien auf der Bühne nicht. Die Auftretenden verblieben, sofern nicht Amfortas mit seinem blutbeschmierten Oberhemd oder der ganz in Weiß gekleidete Parsifal isoliert angestrahlt wurden, weitestgehend im Dunkeln.

Von den sechs seit 1914 im Hamburger Opernhaus dokumentierten Parsifal-Inszenierungen habe ich seit 1968 vier gesehen. Ohne jeden Zweifel war jene des damaligen Opernintendanten August Everding in den Bühnenbilder von Ernst Fuchs (1976) die mit großem Abstand beste. Leider wurde sie bereits nach 15 Jahren durch eine belanglose Inszenierung von Robert Wilson ersetzt. Wenn ich mir eine Rekonstruktion eines Bühnenbildes wünschen könnte, würde ich ohne Bedenken jenes von Ernst Fuchs wählen. Und wenn dann noch die damaligen Besetzungen erweckbar wären (siehe unten), gäbe es vor der Abendkasse sicher kein Halten mehr:

1976: Horst Stein / Weikl, Talvela, Peter Hofmann, Rysanek 1977: Eugen Jochum / Weikl, Moll, Eliasson, Janis Martin
1987: Ferdinand Leitner / Grundheber, Moll, Peter Hofmann, Waltraud Meyer
Dr. Ralf Wegner, 28. April 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Audio-CD Rezension: Richard Wagner Parsifal klassik-begeistert.de, 6. April 2024
Richard Wagner, Parsifal, Staatsoper Hamburg, 19. April 2019
Richard Wagner, Parsifal, 27. September 2017, Staatsoper Hamburg,
Ergänzung von Dr. Ralf Wegner:
Bei dem erwähnten Blumenmädchen handelte es sich nach Auskunft der Pressestelle der Hamburgischen Staatsoper um die im Jahre 2000 in Hangzhou/China stammende Sopranistin Hongping Ruan. Sie studierte Gesang an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg mit Bachelorabschluss; sie hat bereits mehrere Gesangspreise gewonnen. Hongping Ruan arbeitet als Gesangslehrerin in Hamburg. Von ihr gibt es im Internet Ännchens Arie aus dem Freischütz „Einst träumte meiner sel’gen Base“ zu hören:
https://rossleben.com/hongping-ruan/
Dr. Ralf Wegner
Lieber Kollege Dr. Wegner, die von Ihnen auf den Punkt gebrachte Kritik stimmt mit meiner Wahrnehmung der Vorstellung vom Ostermontag überein. Ich bin zum ersten Mal aus einer Vorstellung des Bühnenweihspiels nach dem zweiten Akt geflohen… Der Fuchs’sche Parsifal lebt in meinem Herzen weiter. Die väterliche warme samtige Basstimme von Kurt Moll habe ich im Ohr, und natürlich Waltraud Meyer, wie sie den Parsifal umworben hat, das war einfach sensationell.
Was mir am Ostermontag geboten wurde, war zum Haare raufen. Die Inszenierung nimmt einem jede Lust, sich das Stück nochmal anzutun. Hinter mir sagte eine Dame, sie macht halt die Augen zu. Das wäre ein guter Gedanke, wenn die musikalische Seite dann wenigstens einer Staatsoper in Hamburg würdig gewesen wäre.
Ich hab mir den Karfreitagszauber mit geschlossenen Augen zuhause angehört. Es gibt so viele schöne Aufnahmen.
Herzlichst,
Iris Röckrath
Lieber Dr. Wegner,
ich stimme Ihnen zu, finde aber Ihre Kritik was die Sängerin der Kundry angeht fast zuuuu liebenswürdig. Man muß ja nicht alles niedermachen, aber das was die Dame mit den Resten Ihrer Stimme bot, war gelinde gesagt eine Frechheit. Wer immer für dieses Engagement verantwortlich ist sollte sich schämen. Im Hause gibt es eine Sängerin, die das bestimmt viel besser machen könnte, und billiger. Eigentlich müsste jeder, der die Aufführung bis zum Ende tapfer ertrug, einen Orden bekommen.
Herzlichst
Herbert Kasper
Lieber Herr Dr. Wegner,
ich lese Ihre Beiträge stets mit großem Interesse und möchte mich herzlich für Ihre wertvolle Arbeit bedanken.
Darf ich eine kleine Korrektur anmerken? Hongping Ruan trägt einen Stern auf dem Kopf, während die Sängerin mit der regenbogenfarbenen Federkrone auf dem Kopf Yeonjoo Katharina Jang ist.
Ich war ebenfalls vor Ort, und da sich die Kostümzuweisungen der Blumenmädchen zwischen dem Foto von 2017 (oben) und 2025 geändert haben, kann die Verwirrung durchaus nachvollzogen werden. Aber wie dem auch sei: Alle waren hervorragend!
Ich freue mich bereits auf Ihre weiteren Beiträge.
Mit besten Grüßen,
W. Koch
Lieber Herr Koch,
herzlichen Dank für die Anmerkung. Ich konnte das von hinten nicht zuordnen und erhielt die entsprechende Auskunft von der Pressestelle. Sie haben natürlich recht, alle Blumenmädchen sangen hervorragend.
Herzlichst, Ihr Ralf Wegner