Foto: Vladimir Jurowski (c)
Johann Sebastian Bach Fuga aus „Ein musikalisches Opfer“.
Für Orchester gesetzt von Anton Webern
Alban Berg Drei Bruchstücke aus der Oper „Wozzeck“
Anton Webern Variationen für Orchester op.30
Alfred Schnittke Concerto Grosso Nr.1
Anne Schwanewilms Sopran
Erez Ofer Violine
Nadine Contini Violine
Helen Collyer Klavier und Cembalo
Kinderchor der Staatsoper Unter den Linden
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Vladimir Jurowski Dirigent
Philharmonie Berlin, 5. September 2020
von Peter Sommeregger
Was Vladimir Jurowski in diesem, gerade einmal 80 Minuten dauerndem Konzert fertig bringt, ist schon von der Programmwahl her ein großer Wurf. Die zu Beginn erklingende Fuga von Bach, in der Orchestrierung Anton Weberns baut die Brücke vom 18. ins 20. Jahrhundert, dem sämtliche weiteren Stücke entstammen. Webern greift die strengen barocken Formen auf, konterkariert sie aber mit einem polyphonen Orchestersatz.
Die Bruchstücke aus Alban Bergs „Wozzeck“, vom Komponisten selbst für den Konzertgebrauch arrangiert, und noch vor der Oper uraufgeführt, werden mit beinahe spätromantischer Süffigkeit zelebriert. Die großartige Anne Schwanewilms singt die Szenen der Marie mit klarem, höhensicherem Sopran und legt in ihren Gesang nebst prachtvollen Spitzentönen auch viel vom Charakter dieser zerrissenen Figur. Auch der Kinderchor der Staatsoper Unter den Linden kommt zum Einsatz, allen Beteiligten gelingt eine gelungene Interpretation dieses Schlüsselwerks der Moderne.
Anton Weberns Variationen für Orchester, ein kurzes, filigran instrumentiertes Stück, wird als reizvolles Intermezzo vom Publikum durchaus positiv aufgenommen.
Das abschließende Concerto Grosso Nr. 1 von Alfred Schnittke ist ein höchst originelles Werk, wie fast alle Kompositionen im von ihm selbst so benannten Stil der „Polystilistik“ geschrieben. Gespickt mit musikalischen Zitaten verschiedenster Herkunft entfaltet das Werk einen ganz eigenen Reiz. Ungewöhnlich auch die Besetzung: ein ausschließlich aus Streichern bestehendes Orchester, aber mit zwei Soloviolinen, Cembalo und Klavier verstärkt. Letztere werden von Helen Collyer im fliegenden Wechsel gespielt, die Geiger Erez Ofer und Nadine Contini führen einen reizvollen Dialog ihrer Instrumente in so virtuoser Form, dass das Publikum am Ende mit Begeisterung und Bravo-Rufen reagiert.
Dieses Konzert im Rahmen des situationsbedingt leider nur sehr reduziert stattfindenden Musikfestes Berlin wäre, wie derzeit alle Konzerte in der Philharmonie nur mit exakt 456 Besuchern durchführbar gewesen. Ein wenig erschüttert, zumindest traurig stellt man fest, dass von diesen wenigen Plätzen viele leer bleiben. Liegt es am anspruchsvollen Programm? Oder besteht bei manchen Konzertbesuchern noch eine gewisse Scheu, sich mit vielen Menschen in einem geschlossenen Raum aufzuhalten?
Diesen kann man versichern, dass das ausgeklügelte Hygiene-Konzept der Philharmonie eine Ansteckung mit Covid 19 praktisch unmöglich macht. Sorgen über die zukünftige Entwicklung des Musiklebens in Berlin muss man sich trotzdem machen, denn offenbar müssen außer den behördlichen Einschränkungen auch noch die Ängste der potentiellen Besucher überwunden werden.
Peter Sommeregger, 6. September 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at