von Lothar und Sylvia Schweitzer
Haben Sie manchmal das Gefühl, die Leute kommen Ihnen in Zeiten wie diesen, auch wenn Sie nicht an Berührungsängsten leiden, zu nahe? Wie wird die Abstandsregel angenommen? Einen Meter abzuschätzen ist sehr abstrakt. „Handgreiflicher“ – wenn auch ungenauer – wäre den Abstand mit zwei Ellen anzugeben. In Ländern mit der Vorschrift eines Mindestabstands von eineinhalb Metern tut sich die Bevölkerung schon leichter. Man lässt das werte Visavis in Gedanken einfach umfallen und hat dann noch einen Sicherheitspolster von zehn, zwanzig oder mehr Zentimetern, darf sich also verschätzen.
Ähnlich wie bei den Masken wird das Abstandhalten fühlbar als lästig empfunden. Dabei dürfte das dem Homo ludens nicht schwerfallen, spricht es doch das Spielerische im Menschen an. Ein Gesellschaftsspiel des öffentlichen Lebens, zu sehen wie das Kinderspiel „Himmel und Hölle“, auch Tempelhüpfen genannt. Dann trägt der einzelne die Vorschrift leichter.
Gefordert wäre als größter Medienanbieter des Landes der Öffentlich-rechtliche Rundfunk Österreichs (ORF). Gefragt wäre ein Choreograf und ein kleines Corps de ballet.
Szene: Eine Dame will in der Haltestelle in die Straßenbahn einsteigen. Die Türen öffnen sich und es sprudeln Leute heraus. Ihre langen, behänden Schritte muss sie in eine Pirouette umwandeln, damit sie den Aussteigenden nicht zu nahe kommt, bis der Einstieg genügend frei ist.
Im Innern stünden genügend Sitzplätze im vorderen Wagenteil zur Verfügung, aber sie bleibt dicht gedrängt stehen, bis ein andrer Tänzer oder eine andere Tänzerin zunächst mit den Armen eine Gestik beginnt und darauf folgend mit seiner gesamten Körpersprache sein Anliegen nach mehr freiem Raum zu verstehen gibt. Mit schlangenartigen Bewegungen beginnt jetzt das sehnsüchtige Streben nach mehr lichtem Raum.
Szenenwechsel in einen Supermarkt. Das gesamte Corps ist gefordert. Mit anmutiger Leichtigkeit wird gegenseitig Platz zu Bewegungsentfaltung gegeben. Das Ganze wird mit humorvollen Einlagen gewürzt. Denn wie lehrte der Verhaltensforscher Konrad Lorenz: „Der Mensch hat dem Tier seinen Humor voraus, den er leider viel zu wenig einsetzt.“
Auch an musikalische Untermalungen wäre zu denken. Heutzutage an akustische Berieselungen gewöhnt, könnte man indoor mit Bassesstimme empfangen werden: „Venite pure avanti, vezzose mascherette!“ Und darauf die hohen Stimmen hören: „Siam grati a tanti segni di generosità.“
Lothar und Sylvia Schweitzer, 22. September 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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Lothar Schweitzer ist Apotheker im Ruhestand. Gemeinsam mit seiner Frau Sylvia schreibt er seit 2019 für klassik-begeistert.de: „Wir wohnen im 18. Wiener Gemeindebezirk im ehemaligen Vorort Weinhaus. Sylvia ist am 12. September 1946 und ich am 9. April 1943 geboren. Sylvia hörte schon als Kind mit Freude ihrem sehr musikalischen Vater beim Klavierspiel zu und besuchte mit ihren Eltern die nahe gelegene Volksoper. Im Zuge ihrer Schauspielausbildung statierte sie in der Wiener Staatsoper und erhielt auch Gesangsunterricht (Mezzosopran). Aus familiären Rücksichten konnte sie leider einen ihr angebotenen Fixvertrag am Volkstheater nicht annehmen und übernahm später das Musikinstrumentengeschäft ihres Vaters. Ich war von Beruf Apotheker und wurde durch Crossover zum Opernnarren. Als nur für Schlager Interessierter bekam ich zu Weihnachten 1957 endlich einen Plattenspieler und auch eine Single meines Lieblingsliedes „Granada“ mit einem mir nichts sagenden Interpreten. Die Stimme fesselte mich. Am ersten Werktag nach den Feiertagen besuchte ich schon am Vormittag ein Schallplattengeschäft, um von dem Sänger Mario Lanza mehr zu hören, und kehrte mit einer LP mit Opernarien nach Hause zurück.“