Seong-Jin Cho © Harald Hoffmann
Mit einer souveränen Gesamtaufführung von Ravels Klavierwerken versetzte Seon-Jin Cho die Elbphilharmonie drei Stunden lang in die funkelnden Klänge des Ravel-Himmels. Mit eifriger Passion und glänzende klarer Technik ließ er die luftigen und ausdrucksvollen Melodien durch die Ränge schweben!
Seong-Jin Cho, Klavier
Maurice Ravel: Sämtliche Werke für Klavier solo
Elbphilharmonie Hamburg, 13. Mai 2025
von Johannes Karl Fischer
Mit drei Stunden inklusive 2 Pausen erinnerte das heutige Programm doch eher an eine Wagner-Oper als an einen gewöhnlichen Klavierabend. Zwar hatten sich die Ränge nach der zweiten Pause sichtlich geleert, doch war dieser Abend musikalisch weder zu viel noch zu lang. Völlig unermüdbar und souverän führte der Pianist Seong-Jin Cho das Publikum durch alle Ecken von Ravels gesamten Klavierwerk und füllte den Raum mit den wohlklingenden, luftigen und ausdrucksvollen Klängen seiner brillanten Klavierkunst!
Schon in den vom Komponisten noch recht schlicht gehaltenen Frühwerken brachte er die Saiten seines Steinways glanzvoll zum Singen. Das Menuet antique tanzte mit einer zeitlosen Eleganz durch den Raum, in den Jeux d’eau schien man das Wasser spielvoll die Ränge hinunter plätschern hören.
Zum wohl atemberaubendsten Highlight mindestens des ersten Teils wurde die Pavane pour un infante défunte, welche vor allem in ihrer Orchesterfassung zu den wohl berühmtesten Werken der Klassik gehört. Hier ließ Herr Cho die allerfeinsten Klangfarben seines Instruments im Saal strahlen und das Publikum die ruhige Luft der Melodien mit atmen. Völlig frei schwebten die zauberhaft sanften Klänge im Saal, die sanft arpeggierten Akkorde rollten mit viel Kunstgespür die Tasten hinauf.
Der leichtfüßige erste Teil war der perfekte Auftakt zu den emotional weit intensiveren und gehaltvolleren Mittelwerken Miroirs und Gaspard de la nuit. Mit eifriger Passion legte sich der Pianist in diese zutiefst expressiven Melodien und ließ die ganze musikalische Seele des Klaviers in allen Ecken des Saals berühren. Die zwischen den langsam atmenden melodischen Phrasen versteckten sehr zahlreichen Verzierungsnoten perlten mühelos über die Tasten und ließ einen in den wunderbaren Wellen dieser tiefsinnigen Musik versinken. Seine makellose, perfektionistische Technik meisterte jede liebevoll gespielte Note mit Bravour und ließ selbst das extrem fordernde Scarbo im glasklaren Schein durch den Saal singen.
Wer nach dieser eindrucksvollen, musikalisch impressionistischen Farbenmalerei offenbar aufgrund der Konzertlänge freiwillig auf das weitere Programm verzichtete, verpasste aber den stimmigsten und vielleicht spektakulärsten Teil des Konzerts. Neben einigen sehr knappen und selten gehörten Werken wie das wunderbare Menuet sur le nom d’Haydn gipfelte der Abend in den schwungvollen Melodien der Valses nobles et sentimentales und dem äußerst luftig-spaßigen Le tombeau de Couperin.
Auch nach mittlerweile über zweieinhalb Stunden Klaviersolo spielte Herr Cho jeden einzelnen Satz mit viel Liebe aus und ließ die feurigen Andeutungen an La Valse (ursprünglich als Orchesterstück komponiert und daher heute nicht auf dem Programm) durch die Ränge sausen. In der elegant komponierten und an letzter Stelle des Programms stehenden Hommage an den Barock steckte viel Frische, das war der perfekte Ausklang zum Ende einer musikalisch phänomenal gelungenen Ravel-Reise!
Insgesamt geriet Seong-Jin Cho mit diesem musikalisch perlenden und bewegenden Konzert ein packender Paukenschlag in der Klavierszene. Insbesondere die Aufführung von Ravels musikalisch wunderbar wohlklingenden Raritäten beleuchteten dessen Werk in gänzlich neuem Licht. Könnte man das nicht auch mal für Brahms oder Clara Schumann machen? Vielleicht bräuchte man zwei Abende, aber so unendlich viel mehr Musik wäre das gar nicht… Und selbst der opernlose Hamburger Klaviermeister hat durchaus einige fast vergessene Werke geschrieben, die ein paar mehr Aufführungen durchaus verdient hätten.

Übrigens klingelten auch heute wieder mehrere Handys im Elphi-Publikum. Unweit von mir filmte außerdem ein Besucher ein gutes Stück der Pavane.
So zauberhaft diese Musik komponiert ist und gespielt wurde, Krystian Zimerman, der hier zuletzt 2023 auftrat, hätte sich das wahrscheinlich nicht gefallen lassen.
Johannes Karl Fischer, 15. Mai 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
CD-Besprechung: Maurice Ravel, Seong-Jin Cho, Klavier klassik-begeistert.de, 17. Februar 2025
2. Ravel-Klavierkonzert, Beatrice Rana, Klavier Elbphilharmonie Hamburg, 2. Dezember 2024