Ein sehenswertes Stück über eine schwierige Biographie in schwierigen Zeiten

Siegfried – ein Monolog, Uraufführung, Kulturhof „Reichshof“ Bayreuth, 13. August 2019

Foto: Felix Axel Preißler (Siegfried) und Felix Römer (Siegfried)
© Bayreuther Festspiele Konrad Fersterer

Siegfried – ein Monolog, Uraufführung
Kulturhof „Reichshof“ Bayreuth, 13. August 2019

Zur Uraufführung des Auftragswerks der Bayreuther Festspiele über Siegfried Wagner

von Dr. Gerald Hofner

Der 150. Geburtstag von Richard Wagners Sohn Siegfried war der Anlass für dieses bemerkenswerte Sprechtheaterstück im Rahmen der Veranstaltungsreihe Diskurs Bayreuth der Bayreuther Festspiele. Es bestätigt einmal mehr den Wandel der Bayreuther Festspiele unter Katharina Wagner vom elitären Operntreff zum Wagner-Kulturfest.

Das vom Autorenduo Feridun Zaimoglu und Gunter Senkel geschriebene Auftragswerk ist gut recherchiert und ideenreich, bleibt inhaltlich aber dann doch fast zu brav bei der traditionellen Wahrnehmung des zerrissenen und labilen Menschen Siegfried Wagner. Konsequenterweise tritt seine Bedeutung als Opernkomponist und Regisseur dann auch im Stück zurück. Und fast erwartungsgemäß werden seine konfliktbeladene Homosexualität, sein problematisches Verhältnis zur Mutter und zu Frauen und, etwas zu klassisch, die undankbare Rolle des Thronerben fokussiert. Seine schwankende Positionierung gegenüber Nazi-Deutschland und zum Judenhass überrascht dagegen. Hier kam sicher auch die Recherche für das Stück an ihre Grenzen, gilt Siegfried ja noch immer als der am wenigsten erforschte Stammhalter und Festspielchef in der Wagnerdynastie. Der Spannung des Stückes tut diese Forschungslücke jedoch keinen Abbruch. Im Gegenteil.

Wie die Darstellung der Persönlichkeit Siegfrieds lebt auch die szenische Umsetzung von Extremen. Zunächst als Monolog geplant, wird es nun als Zwei-Mann-Stück aufgeführt, was einen bunten Reichtum an „Spielbällen“ ermöglicht, die sich die beiden Schauspieler Felix Römer (Schaubühne Berlin) und Felix Axel Preißler (Schauspiel Leipzig) mit Leichtigkeit hin und her spielen. Mal als junger und alter Siegfried, mal als Siegfried mit Mutter Cosima, mal als Siegfried mit Gattin Winifred. Und immer wieder als tief gespaltener Siegfried mit zwei Gesichtern. Gerade hier zeichnet sich der Facettenreichtum der beiden wunderbar wandlungsfähigen Darsteller ab. Fast im Improvisationsstil wechseln sich dabei die vorgetragene Lyrik Siegfried Wagners, nachdenkliche Selbsterinnerungen und irres Lachen ab. Extreme auch hier.

Felix Axel Preißler (Siegfried) und Felix Römer (Siegfried)
© Bayreuther Festspiele Konrad Fersterer

Regisseur Philipp Preuss (Schauspiel Leipzig) und Dramaturgin Constanze Fröhlich (u.a. Leipzig) nutzen das schnörkellose Hinterhoftheater-Ambiente eines alten Kinosaales (Reichshof Bayreuth, Baujahr 1927). Sie kommen vordergründig mit wenig Requisiten und reduziertem Bühnenbild (Ramallah Sara Aubrecht) aus, überraschen dann aber mit der Methodenvielfalt des zeitgenössischen Theaters, Video-Einspielungen und live-Video  eingeschlossen. Dies hält die Zwei-Mann-Show lebendig und trotz der 2 Stunden Dauer kurzweilig, wirkt allerdings auch immer wieder recht unruhig, vor allem unter Berücksichtigung  der inhaltlichen Zeitsprünge und der verschiedenen Handlungsebenen des Stücks (Lebenslauf und Konflikte Siegfrieds, Zeitgeist, Geschichte der Festspiele). An manchen Stellen wäre da etwas weniger mehr gewesen. Etwa auch in der Präsenz der Phallussymbolik. Die Inszenierung der Homosexualität Siegfrieds war durch den Freddie Mercury-Stil schon ausreichend deutlich. Etwas Struktur bekommt das Stück dann aber doch durch die ruhige Originalstimme Winifred Wagners, deren Tonbandaufnahme als Zeitdokument regelmäßig eingespielt wird.

Für mich ein absolut sehenswertes Stück über eine schwierige Biographie in schwierigen Zeiten. Die Abkehr von der wissenschaftlichen Aufzählung hin zur szenischen Darstellung des weichen Konfliktmenschen Siegfried Wagner eröffnet die Tiefe seiner Persönlichkeit vor allem atmosphärisch. Das glänzende Schauspieler-Duo und eine kurzweilige Inszenierung setzen das für diese etwas andere Gedenkfeier in Szene.

Das Stück wird im Laufe des Augusts noch mehrfach in Bayreuth aufgeführt.

Dr. Gerald Hofner, 14. August 2019, für
klassik-begeistert.de

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