Sommereggers Klassikwelt 113: Die wunderbare, unvergessliche Lucia Popp

Sommereggers Klassikwelt 113: Die wunderbare, unvergessliche Lucia Popp,  klassik-begeistert.de

Foto: Lucia Popp © BR Klassik

von Peter Sommeregger 

Manche Lücken schließen sich nie. Als die Sopranistin Lucia Popp am 16. November 1993 mit nur 54 Jahren starb, hinterließ sie eine solche.

Der Lebensweg der 1939 nahe Bratislava in der Slowakei geborenen Sängerin war anfangs geprägt durch das kommunistische Regime in ihrer Heimat, das Ausreisen nur in wenigen Fällen gestattete, was ihre 1963 begonnene Karriere als Koloratursopran natürlich beeinträchtigt hätte. Sie nutzte einen Besuch bei Verwandten in Wien, um an der Staatsoper vorzusingen, und wurde umgehend engagiert.

Noch im gleichen Jahr sang sie in Otto Klemperers bis heute unerreichten „Zauberflöte“- Aufnahme die Königin der Nacht, die sie später in ihrer Karriere auch an der Met in New York sang, ehe sie zur Pamina wechselte. Ihre große, internationale Karriere entwickelte sich rasant, einige Jahre war sie auch am Opernhaus in Köln engagiert, wo sie mit dem Dirigenten István Kertész zusammenarbeitete.

Ihre Stimme entwickelte sich über die Jahre von den lyrischen Partien hin zum jugendlich-dramatischen Fach. Aus der Susanna wurde die Gräfin im „Figaro“, aus der Adele die Rosalinde in der „Fledermaus“, usw. Auch als Lied- und Konzertsängerin hat sich die Popp große Verdienste erworben. Lieder von Schubert, Mahler, Richard Strauss sind uns in großartigen Aufnahmen erhalten.

Ein silberner, manchmal fast gläserner Klang war charakteristisch für ihre Stimme, die man sofort nach dem ersten Ton erkennt. Beeindruckend war die Entwicklung ihres Soprans bis hin zu Wagner-Partien. Die Elsa im „Lohengrin“ sang sie an verschiedenen Häusern, die Elisabeth im „Tannhäuser“ zumindest für die Schallplatte.

In erster Ehe war Lucia Popp mit dem ungarischen Dirigenten György Fischer verheiratet. Nach der Trennung des Paares war sie mit dem späteren Intendanten der Bayerischen Staatsoper, Peter Jonas, liiert. Darüber, ob das Paar verheiratet war, gibt es widersprüchliche Angaben.

Bei einer Inszenierung von Peter Cornelius’ „Barbier von Bagdad“ an der Bayerischen Staatsoper lernte sie den jungen Tenor Peter Seiffert kennen, den sie 1986 heiratete. Mit ihm trat sie häufig an verschiedenen Opernhäusern auf, unvergessen sind „Lohengrin“-Aufführungen in München mit dem Ehepaar.

Lucia Popp © Acanta

Die Schallplattenindustrie verpflichtete Lucia Popp für unzählige Aufnahmen. Ihre unverwechselbare Stimme ist uns dadurch in erfreulich vielen Einspielungen erhalten. Von Richard Strauss die Sophie im „Rosenkavalier“, die „Daphne“ und mehrfach die „Vier letzten Lieder“. Von Mozart neben Königin der Nacht und Pamina die Susanna und „Figaro“-Gräfin, die Zerlina und als ihre letzte Plattenaufnahme die Vitellia im „Titus“. Eine Aufzählung sämtlicher Aufnahmen würde mehrere Seiten füllen.

Als Anfang der 90er Jahre bei der Künstlerin ein unheilbarer Gehirntumor diagnostiziert wurde, waren die Ärzte Lucia Popps und ihr Ehemann die einzigen Menschen, die davon wussten. Tapfer trat die Sängerin weiter auf, ihren letzten Liederabend gab sie zwei Wochen vor ihrem Tod. Die Todesnachricht schockierte die gesamte Musikwelt, da sich Lucia Popp auch privat durch ihr sympathisches und kollegiales Verhalten viele Freunde gemacht hatte.

Begraben wurde die Sängerin in Bratislava im Grab ihrer Mutter. Ihr silbern leuchtender Sopran ist unvergessen, und in vielen Partien auch unerreicht.

Peter Sommeregger, 18. November 2021, für
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Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barcelona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen’. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.

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