Das ist Gesangskunst auf höchstem Niveau, und bis heute unerreicht. Heute wird Leontyne Price unglaubliche 95 Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch an diese Jahrhundert- Künstlerin !
von Peter Sommeregger
Der am 10. Februar 1927 in Laurel, Mississippi geborenen Mary Violet Leontyne Price wurde es nicht an der bescheidenen Wiege gesungen, dass sie eines Tages Triumphe an den großen Opernbühnen der Welt feiern würde. Gerade für eine Afroamerikanerin waren die Möglichkeiten der Lebensplanung in den amerikanischen Südstaaten damals noch sehr eingeschränkt.
Klavierunterricht und Kirchenchor waren noch in ihrer Heimatstadt die ersten Schritte in die Welt der Musik. Nach einem Studium der Musikpädagogik wurde sie von der renommierten Juilliard School of Music in New York für das Gesangsstudium angenommen. In einer Hochschulproduktion sang sie ihre erste Opernpartie, die Alice Ford in Verdis „Falstaff“.
Schicksalhaft war für Leontyne Price ihr Engagement als Bess in einer Broadway-Produktion von Gershwins „Porgy and Bess“. Der Porgy dieser Aufführung, William Warfield, wurde ihr Ehemann, von dem sie sich später aber wieder trennte. Die erfolgreiche Gershwin-Produktion tourte ab 1952 durch die Welt, dadurch wurde man zum ersten Mal auch in Europa auf die Sängerin aufmerksam. Zunächst trat Leontyne Price auch im US-Fernsehen auf.
Ihren Durchbruch erlebte sie in Wien, als Herbert von Karajan sie als Aida an die Wiener Staatsoper engagierte. Schnell folgten Engagements nach London und an die Mailänder Scala. Herbert von Karajan verpflichtete sie auch für die Salzburger Festspiele als Donna Anna in Mozarts „Don Giovanni“, später auch als Leonora in Verdis „Troubadour“, die zu einer ihrer Glanzrollen wurde. Aus dieser Zeit datieren auch meine persönlichen Erinnerungen an die Sängerin, die ich als Donna Anna und Liù in Puccinis „Turandot“ neben Birgit Nilsson erlebte. Das Wiener Publikum hatte sie ins Herz geschlossen und sie erlebte dort regelmäßige Standing Ovations.
Ihr erfolgreiches Debüt an der Metropolitan Opera New York, ebenfalls als Leonora, war auch 1961 noch keine Selbstverständlichkeit für eine Afroamerikanerin. Erst 1958 hatte Marian Anderson auf Initiative von Direktor Bing den Bann für schwarze Sänger an der Met gebrochen. Anderson sang allerdings nur eine Nebenrolle während einer Spielzeit. Mit Leontyne Price hatte das Haus aber seine neue Primadonna gefunden. Als die Metropolitan Opera 1966 ihr neues Haus im Lincoln Center bezog, wählte man Leontyne Price für die Eröffnungspremiere, Samuel Barbers „Anthony and Cleopatra“. Die damalige First Lady, Lady Bird Johnson, lud heimlich die Eltern der Price zu der Gala-Aufführung ein, die sie in der Ehrenloge gemeinsam mit dem Präsidentenpaar erlebten, wovon die Sängerin erst nach der Aufführung erfuhr.
Über 20 Jahre war Leontyne Price der führende Sopran der Met, das Tor, das sie geöffnet hatte, wurde später von einer Grace Bumbry und Shirley Verrett schon wie selbstverständlich durchschritten. Es ist das Verdienst der Sängerin, dank ihrer Persönlichkeit und herausragenden sängerischen Leistungen der Akzeptanz für ihre „schwarzen Brüder und Schwestern“ den Weg bereitet zu haben.
Leontyne Price hat ihre großen Partien alle, teilweise mehrfach für die Schallplatte eingespielt. Ihre Aufnahmen von „Aida“, „Don Giovanni“, „Trovatore“, „La Forza del Destino“ gehören zu den besten Aufnahmen dieser Werke. Auf zahlreichen Arien-Platten wagte sich die Price auch an Repertoire, das sie auf der Bühne nicht sang. Diese Aufnahmen sind ein Zeugnis ihres großen Potentials und ihrer Vielseitigkeit.
Das dunkel-samtige Timbre der Price, mit seiner gutturalen Grundierung ist so charakteristisch und unverwechselbar, wie ihre sichere Höhe und Exaktheit der Phrasierung. Das ist Gesangskunst auf höchstem Niveau, und bis heute unerreicht. Heute wird Leontyne Price unglaubliche 95 Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch an diese Jahrhundert- Künstlerin !
Peter Sommeregger, 10. Februar 2022, für
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Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barcelona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen’. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.
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Was meint Herr Sommeregger mit „gutturale Grundierung“? Das ist nur eine alte Behauptung deutscher Musikkritiker, die nicht weißen Sänger*innen, statt mit ihren Ohren, mit ihren Augen zuhören.
Martin Williams