Foto: https://de.wikipedia.org/wiki/Lucia Valentini
Man kann es kaum glauben, aber es sind bereits knapp 25 Jahre vergangen, seit die wunderbar samtene Stimme dieser Sängerin für immer verstummt ist.
von Peter Sommeregger
Am 29. August 1946 wurde sie als Lucia Valentini in Padua geboren. Früh schon entschloss sie sich, den Sängerberuf zu ergreifen und studierte zuerst am Konservatorium ihrer Heimatstadt, später am Conservatorio di Musica Benedetto Marcello in Venedig, wo sie 1969 ihren Abschluss in den Fächern Operngesang und Gesangspädagogik erlangte. Noch im selben Jahr debütierte sie am Opernhaus von Brescia als Angelina in Rossinis „La Cenerentola“, eine Partie, die sie durch ihr ganzes Sängerleben begleiten sollte.
Ihre Karriere entwickelte sich sehr schnell, ihr dunkel glühender Mezzosopran, der über große Agilität verfügte, war insbesondere für die Mezzo-Koloraturpartien von Rossini ideal geeignet – im Jahr 1972 gewann sie den Rossini-Preis der RAI. Ab 1973 trat sie regelmäßig an der Mailänder Scala, dem bedeutendsten Opernhaus Italiens, auf. Auch dort wurde sie in erster Linie als Rossini-Sängerin wahrgenommen, überraschte aber ihr Publikum in der Saison 1978/79 in der Partie der Marina in Mussorgskys „Boris Godunow“.
Mit der Mailänder Scala unternahm sie Gastspiele nach Washington, Moskau und Tokio, an der New Yorker Metropolitan Opera sang sie in der Saison 1974/75, Gastspiele führten sie an die Grand Opéra Paris, das Moskauer Bolschoi-Theater, das Londoner Covent Garden Opera House. Auch Wien, Prag, Genf, München und zahlreiche weitere Opernhäuser luden die Künstlerin zu Gastspielen ein. Gefragt waren dabei in erster Linie die Rossini-Partien, für die ihre samtene, höhensichere Stimme mit der Fähigkeit, auch halsbrecherische Koloraturen zu singen, so ideal geeignet war.
Valentini Terrani, wie sie sich ab 1973 nach der Heirat mit dem Schauspieler Alberto Terrani (eigentlich Alfredo Bolognesi) nannte, erweiterte aber ständig ihr Repertoire. Die Charlotte in „Werther“ von Massenet, die Mrs. Quickly in „Falstaff“, die Amneris in „Aida“ und die Eboli in „Don Carlo“ von Verdi brachten ihr ebenfalls große Erfolge ein. Letztere Partie verkörperte sie auch in Claudio Abbados leider missglückter Plattenaufnahme in französischer Sprache.
Lucia Valentini Terrani schien ein Liebling der Götter zu sein, der frühe Erfolg als Sängerin war ihr treu geblieben, ihre Ehe war glücklich. Da stellte sich im Laufe der 1990er Jahre eine heimtückische Leukämie-Erkrankung ein. Tapfer bekämpfte die Sängerin die Krankheit, das Beispiel ihres Tenor-Kollegen José Carreras, der diese Krankheit überwunden hatte, machte ihr Mut. In einer Spezialklinik in Seattle, in der auch Carreras behandelt wurde, unterzog sie sich einer Knochenmark-Transplantation. Bei diesem Eingriff gab es Komplikationen und Valentini Terrani verstarb am 11. Juni 1998.
Die unverwechselbare, farbenreiche Stimme der Sängerin ist auf zahlreichen Tonträgern erhalten, auch Video-Aufnahmen lassen ihr temperamentvolles Spiel und ihre elegante Bühnenerscheinung wieder lebendig werden. Die Opernwelt musste mit ihr einen ihrer großen Stars begraben, aber ihr Andenken lebt in den zahlreichen Aufnahmen weiter.
Ihr Witwer gründete nach ihrem Tod die Stiftung Fondazione Lucia Valentini Terrani, die sich für kulturelle Belange einsetzte, und der er bis zu seinem eigenen Tod im Jahr 2021 vorstand.
Peter Sommeregger, 11. April 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.
Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barcelona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen’. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.
Sommereggers Klassikwelt 178: „Tristanissimo“ Lauritz Melchior klassik-begeistert.de, 22. März 2023