Sommereggers Klassikwelt 264: Hilde Zadeks Weg zu einer Sängerkarriere war abenteuerlich

von Peter Sommeregger

Wenn ein musikalischer junger Mensch den Entschluss fasst, den Sängerberuf zu ergreifen, so ist das oft ein dorniger Weg dorthin, der auch nicht immer gelingt.

Im Falle der Sängerin Hilde Zadek ging der Plan auf, aber ihr Weg zu einer Karriere war besonders abenteuerlich. Geboren 1917 in Bromberg, in der damaligen Provinz Posen, als Tochter eines jüdischen Kaufmannes, steht für sie die Berufswahl früh fest. Sie wächst in Stettin auf und registriert nach 1933 schnell, dass sie im Deutschen Reich keine Zukunft haben wird. Unerschrocken wagt sie 1934, gerade einmal 17-jährig, die Auswanderung nach Palästina, ganz auf sich gestellt, ohne Familie.

Es gelingt ihr in Jerusalem an der dortigen Miusikakademie zu studieren, sie finanziert es mit der Arbeit als Säuglingsschwester und zeitweise als Verkäuferin. Eine ihrer Lehrerinnen ist der ehemalige Opernstar Rose Pauly, die vor ihrer Auswanderung in Wien, Berlin und New York gefeiert wurde.

Hilde Zadek muss Geld verdienen, bereits ab 1942 gibt sie Liederabende und Konzerte. Nach Kriegsende kehrt sie unerschrocken in das Land zurück, in dem man viele ihrer Verwandten ermordet hatte. Sie beschließt, einen gedanklichen Schlußstrich unter die Vergangenheit zu ziehen. „Ich muss mein Publikum lieb haben können, sonst kann ich nicht vor ihm singen“ ist ihr Credo, dem sie ein Sängerleben lang treu bleibt. Erst in Zürich gelingt es ihr, ein Stipendium für die dortige Musikakademie zu ergattern. Da kommt ihr der Zufall zu Hilfe. Sie lernt in seinem Urlaub den damaligen Wiener Operndirektor Franz Salmhofer kennen, der ihr ein Engagement in Wien verspricht. Als sie dies bei einem Besuch am 27. Januar 1947 in seinem Büro in Wien einfordert, schlägt er ihr ein Gastspiel am 3. Februar als Aida in italienischer Sprache vor. Sie akzeptiert, aber verschweigt dabei, dass sie weder Italienisch noch die Rolle beherrscht. In einer unglaublichen Tour de Force lernt sie die Partie und absolviert ein erfolgreiches Debüt. Der Wiener Staatsoper blieb sie während ihrer gesamten Karriere treu, bis 1971 war sie Ensemblemitglied. Ihr großer, leuchtender Sopran führte sie an so gut wie alle großen Opernhäuser Europas, zahlreiche Festivals und 1952/53 sogar an die Metropolitan Opera in New York.

1949 verpflichtete Herbert von Karajan sie als Solistin für eine Aufführung von Verdis Requiem bei den Salzburger Festspielen, bei denen sie auch später häufig gastierte.

Im Laufe ihrer Karriere erhält sie zahlreiche Auszeichnungen und Ehrungen, darunter den Titel Österreichische Kammersängerin. Bereits vor dem Ende ihrer Bühnenkarriere beginnt sie, Gesang zu unterrichten und wird eine gesuchte Pädagogin, vielleicht gerade weil sie ohne System und überhaupt nicht diktatorisch mit ihren Schülern umgeht.

Foto: wikipedia.com/Grab Hilde Zadek/Wiener Zentralfriedhof

Hellwach und interessiert bleibt sie in Wien bis ins hohe Alter so etwas wie eine Institution. Hilde Zadek stirbt am 21. Februar 2019 und wird in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof bestattet. Ihr Name bleibt mit der Wiener Staatsoper der Nachkriegszeit eng verbunden.

Peter Sommeregger, 11. Dezember 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.

Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen’. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.

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