von Peter Sommeregger
Am 28. Juni 1831, also vor 190 Jahren, wurde Joseph Joachim in Kittsee im heutigen Burgenland als siebtes Kind eines jüdischen Wollhändlers geboren. Die Familie zog nur zwei Jahre später nach Pest, wo offenbar schon frühzeitig das Ausnahmetalent des Kindes erkannt wurde.
Bereits mit sieben Jahren begann Joseph ein Studium am Konservatorium der Musikfreunde in Wien. Ein früher Förderer seines Talents wurde der Komponist Felix Mendelssohn-Bartholdy, nachdem Joseph Joachim seine Studien ab 1843 am Leipziger Konservatorium fortsetzte.
Mendelssohn nahm Joachim mit nach London, wo er unter seiner Stabführung das fast vergessene Violinkonzert Beethovens aufführte und es damit für das gängige Repertoire zurück gewann. Mendelssohn nahm Joachim in das von ihm geleitete Leipziger Gewandhausorchester auf, in dem er bis zu Mendelssohns Tod verblieb. Danach machte er sich auf die Suche nach einem neuen Vorbild, das er in Weimar bei Franz Liszt fand.
Ab 1853 bekleidete Joachim das Amt des Königlichen Konzertmeisters in Hannover. Im gleichen Jahr lernte er Robert und Clara Schumann kennen, später durch diese Johannes Brahms, der zu einem lebenslangen Freund wurde. 1855 ließ Joachim sich in Hannover evangelisch taufen, seinen gesellschaftlichen Rang zu dieser Zeit illustriert die Tatsache, dass König Georg und Königin Marie von Hannover als seine Taufpaten fungierten.
Joseph Joachims Ruf als einer der führenden Musiker des zweiten Deutschen Kaiserreichs festigte sich über die Jahre und Joachim wurde zu einer allgemein anerkannten Autorität. Als Max Bruch sein erfolgreiches Violinkonzert umarbeitete, zog er Joseph Joachim als Ratgeber heran, der 1868 auch die Uraufführung der zweiten Fassung spielte.
1863 heiratete Joseph Joachim in Hannover die Opernsängerin Amalie Schneeweiss, mit der er sechs Kinder hatte. Dass die Ehe nach einem entwürdigenden Rosenkrieg 1884 geschieden wurde, war wohl auf Joachims cholerisches Temperament zurückzuführen. Näheres darüber war an gleicher Stelle bereits zu lesen.
Joachim beriet auch Johannes Brahms bei der Konzeption von dessen Violinkonzert, das schließlich auch von ihm uraufgeführt wurde. 1869 berief König Wilhelm von Preußen Joachim als Gründungsrektor der Königlich Akademischen Hochschule für ausübende Tonkunst, der späteren Musikhochschule Berlin. Spätestens in dieser Funktion prägte Joachim das Musikleben seiner Zeit nachhaltig. Unzählige Geiger gingen durch seine Schule, er galt als höchste Instanz auf seinem Gebiet. Clara Schumann ließ das Violinkonzert von Robert Schumann, das noch nicht veröffentlicht war, von Joachim auf seine Spielbarkeit prüfen. Joachim riet von einer Veröffentlichung ab, weil sich nach seiner Ansicht darin der beginnende Wahnsinn Schumanns manifestierte. Hört man das Konzert heute, kann man diesem Urteil nicht wirklich folgen.
Große Erfolge feierte Joachim auch mit dem von ihm begründeten Joachim-Quartett, das bis zu seinem Tod 1907 bestand. Auch als Komponist betätigte sich Joachim und schrieb er für sich selbst drei Violinkonzerte. Sein Spiel ist auf einigen Schellackplatten für die Nachwelt erhalten, die zumindest eine Ahnung von Joachims Virtuosität und seinem persönlichen Stil vermitteln.
Hatte Joachim anfangs eine Guarneri-Geige gespielt, im Laufe seiner Karriere spielte und besaß Joachim eine ganze Anzahl von berühmten Instrumenten Stradivaris: „Korschak“ (1698), „Jupiter“ (1700), „Morgan“ (1708), „Knoop“ (1714), „de Barrau“ (1715), „Crémonais“ (1715), „Lipinski“ (1715), „Laurie“ (1722), „Arbos“ (1723), „Chaconne“ (1725), „Benny“ (1729), „Tom Taylor“ (1732). Die „Hochstein“ (1715) war später im Besitz von Jascha Heifetz. Die „Elman“ (1722) heißt inzwischen nach ihrem späteren Besitzer Mischa Elman.
Bis heute hat der Name Joachims einen guten Klang und ist fast so etwas wie ein Synonym für virtuoses Geigenspiel.
Peter Sommeregger, 29. Juni 2021, für
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Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barcelona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen’. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.
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