Foto: Gregor Hohenberg / Sony Music Entertainment (c)
Sommernachtsgala, 22. Juni 2018
Pretty Yende, Sopran
Joseph Calleja, Tenor
Harriet Krijgh, Violoncello
Tonkünstler-Orchester Niederösterreich
Yutaka Sado, Dirigent
Von Charles E. Ritterband
Es war eine kalte Nacht im romantischen Schlosspark von Grafenegg zwischen Wien und Krems, nachdem die Nacht zuvor von den Meteorologen noch als „Tropennacht“ charakterisiert worden war. Doch das fröstelnde Publikum im sogenannten Wolkenturm, der kühnen Freiluft-Arena, hörte bald auf zu frösteln unter seinen Wolldecken, als das südafrikanische Belcanto-Phänomen Pretty Yende in schillerndem, weit ausladendem rotschwarzem Pailletten-Kostüm das Podium betrat. Die 33 Jahre alte Sopranistin, deren Europa-Debut erst vor acht Jahren (in Riga als Michaela in „Carmen“) erfolgt war, ist seither aufgestiegen wie ein Stern am internationalen Opernhimmel: Yende ist inzwischen kein Geheimtipp mehr unter Opern-Aficionados, und ihr Terminkalender mit weltweiten Engagements ist hoffnungslos überbucht. Die Liste der Preise, die sie bei renommierten internationalen Gesangswettbewerben eingeholt hat, ist beeindruckend lang. Selbst für ein längst etabliertes Sommerfestival wie Grafenegg mit Künstlern der Weltklasse war es ein Glücksfall, Pretty Yende für diese Sommernachtsgala gewinnen zu können, wie die Moderatorin Barbara Rett betonte.
Doch nicht nur die Gesangsstars Yende und der maltesische Tenor Joseph Calleja boten sensationelles Können: Auch die junge niederländische Cellistin Harriet brachte einfühlsam und zugleich virtuos in Jacques Offenbachs „Les larmes de Jacqueline“ eine emotionell berührende, zugleich subtile und technisch perfekte Interpretation. Unter der überaus präzisen Stabführung des Japaners Yutaka Sado, seit drei Jahren Chefdirigent des Tonkünstler-Orchesters, intonierte dieser hervorragende Klangkörper mit viel Verve Rossinis Ouverture „La Gazza ladra“ – und legte damit den hohen musikalischen Anspruch dieses Abends fest. Brillant und mitreißend temperamentvoll kam etwas später der ungarische Marsch aus Berlioz` „La Damnation de Faust“ daher.
Doch man war nach Grafenegg gekommen, um Pretty Yende zu erleben – und sie enttäuschte nicht. Obwohl auch sie, ebenso wie ihr Partner Joseph Calleja, gegen Kälte und Wind anzukämpfen hatte, war ihr Auftritt in dieser Arena ein unvergessliches Erlebnis. Calleja rang noch mit den metereologischen Widrigkeiten in der Arie „Se quel guerrier io fossi“ („Aida“). Besser gelang es ihm in „E lucevan le stelle“ („Tosca“) Wärme und Schmelz zu legen und zugleich kraftvoll zu agieren. Yende begeisterte in der Zarzuela „El barbero de Sevilla“ von Jeronimo Giménez mit glasklarer Brillanz und gleichsam spanischem Temperament. Im abschließenden Duett „Parigi“ („La Traviata“) vereinigten sich diese beiden großartigen Stimmen zu einem harmonischen Zweiklang, der das Publikum im „Wolkenturm“ zu wahren Begeisterungsstürmen hinriss.
Charles E. Ritterband, 24. Juni 2018, für
klassik-begeistert.de