Christian Thielemann, Staatskapelle Berlin | Konzert zum Jahreswechsel am 31. Dezember 2024 © Stephan Rabold
Liszts ambitionierte Tondichtungen sind interessant instrumentiert, aber dem Melodienreichtum der Strauss-Lieder deutlich unterlegen, sie dienen wie ein Salatblatt als Garnierung des Hauptgerichts.
Abonnementkonzert VIII Staatskapelle Berlin
Franz Liszt
Symphonische Dichtungen 1 und 2
Richard Strauss
Orchesterlieder
Staatskapelle Berlin
Erin Morley Sopran
Christian Thielemann Dirigent
Staatsoper Unter den Linden, 5. Juli 2025
von Peter Sommeregger
Franz Liszts symphonische Werke sind mit einer Ausnahme relativ unbekannt. Sein „Les Préludes“ diente den Nationalsozialisten als pompöse Untermalung für die Erfolgsmeldungen der Wehrmacht während des
2. Weltkrieges. Weniger martialisch sind des Komponisten erste symphonische Dichtungen, die Berg-Symphonie und Tasso, Lamento e Trionfo.
Zwischen diese beiden Stücke platzierte Christian Thielemann eine Reihe von Orchesterliedern von Richard Strauss, einem von ihm besonders gepflegten Komponisten. Auch hier gilt, dass das Bessere der Feind des Guten ist, Liszts ambitionierte Tondichtungen sind interessant instrumentiert, aber dem Melodienreichtum der Strauss-Lieder deutlich unterlegen, sie dienen wie ein Salatblatt als Garnierung des Hauptgerichts.
Dass der Chefdirigent der Staatskapelle zyklische Aufführungen der Strauss-Lieder, aber auch solche der gesamten Tondichtungen Liszts plant, ist im ersten Fall hoch erfreulich, im zweiten eher eine Drohung.
Als Solistin für die Strauss-Lieder wählte man die Koloratursopranistin
Erin Morley, die bereits Erfahrung auf internationalem Parkett mitbringt. Morley nahm das Publikum im Sturm, neben ihrer ausgesprochen schönen Stimme verfügt die Sängerin auch über Charme und Ausstrahlung. Was ihr allerdings fehlt, ist das große Volumen, das Strauss seinen Sopranen abverlangt. Mit Ausnahme des Liedes „Amor“, das für einen Koloratursopran geschrieben ist, wirkte Morleys Interpretation zu eindimensional und auf die hohen Töne reduziert.
Als kleine Überraschung präsentierte Thielemann ein bisher unbekanntes Lied, „Die Nacht“, das nach einer Skizze in Strauss’ Nachlass rekonstruiert wurde. Mit den zuvor gehörten Liedern konnte es allerdings nicht konkurrieren.
Christian Thielemann untermauerte auch mit diesem Konzertprogramm seinen Ruf als Schwimmer gegen den Strom. Den Musikern der Staatskapelle boten die Stücke Liszts jedenfalls Gelegenheit, ihre Virtuosität an allen Pulten auszuspielen, und ihre Harmonie mit dem Chefdirigenten erneut zu demonstrieren. Was will man mehr?
Peter Sommeregger, 5. Juli 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Asmik Grigorian, Richard Strauss, Vier letzte Lieder Musikverein Wien, 18. Jänner 2025