Mehr Verdi geht nicht: Ovationen für atemberaubende Stimmen vor 1700 Zuhörern in der Laeiszhalle Hamburg

Symphonischer Chor Hamburg, Flensburger Bach-Chor, Sønderjyllands Symfoniorkester,  Laeiszhalle Hamburg, 24. November 2019

Fotos: © Symphonischer Chor / S. Redel
Laeiszhalle Hamburg, 24. November 2019
Giuseppe Verdi, Messa da Requiem 

Symphonischer Chor Hamburg
Flensburger Bach-Chor
Sønderjyllands Symfoniorkester

Susanne Bernhard, Sopran
Marion Eckstein, Alt
Dovlet Nurgeldiyev, Tenor
Raimund Nolte, Bass

Matthias Janz, Leitung

von Sebastian Koik

Es braucht nur ganz wenige Takte, bis die altehrwürdige Laeiszhalle in Hamburg von einer magischen Stimmung erfüllt ist – voller Ehrfurcht, Heiligkeit und Schönheit!

Der Symphonische Chor Hamburg ist eine Institution in der Hansestadt. Gemeinsam mit dem Flensburger Bach-Chor, dem Sønderjyllands Symfoniorkester und vier exzellenten Gesangs-Solisten wird der Abend am 24. November 2019 unter der Leitung von Matthias Janz zu einem Highlight im anspruchsvollen Konzertkalender der „Musikstadt Hamburg“.

Insgesamt 260 Musiker stehen auf der Bühne: 115 Sänger vom Symphonischen Chor Hamburg, 65 Sänger vom Flensburger Bachchor, das dänische Orchester, vier Spitzen-Solisten und ganz vorne am Pult, der Mann der diese Heerscharen von Musikern koordiniert: Professor Matthias Janz.


Ein Verdi Requiem mit solch großer Besetzung hat es in Deutschland wohl sehr lange nicht gegeben. Und die Musiker unter Janz bieten nicht nur Quantität, sondern auch beeindruckende Qualität.

Überirdisch schön ist die Zartheit des Chores zu Beginn des Requiems! Man kann es kaum fassen, wie fein und ätherisch die gewaltige Menge von 180 Sängern zusammen in einer vereinten Stimme singen kann.

Verdis Messa da Requiem – ein großes Drama über das Ende – ist ein gewaltiges Werk, das die Chöre und Solisten unter der Leitung ihres Maestros an diesem Abend großartig in den Saal der Laeiszhalle zaubern.

Die häufigen plötzlichen Wechsel und fließenden Übergänge in Lautstärke, Tempo und Stimmung meistern Chor, Solisten und das Orchester höchst souverän. Und im „Dies irae“ immer wieder diese tatsächlich körperlich spürbaren herrlichen Klanggewitter!! So laut wie an diesem Abend wird es im schönen Saal der Laeiszhalle höchst selten.

Der HH-FL-Chor begeistert mit sehr, sehr viel Ausdruck und Emotion, Präzision, Zartheit und immer wieder erschütternder Wucht. Herrlich stark sind die tiefen Bass-Stimmen des Chores im Finale. Der Chor ist höchst agil. Es ist immer wieder unfassbar, wie gut dieser Klangkörper ist. Der Symphonische Chor Hamburg probt das Stück – neben anderen Stücken – bereits seit April. Doch der große Aufwand hat sich gelohnt, man spürt jede Minute der langen Arbeit.

Alle vier Solisten begeistern mit Top-Qualität, langem Atem, großer Souveränität in allen geforderten Tonlagen und sind extrem glaubwürdig in ihren Stimm-Rollen. Bei einem so heiklen Instrument wie der menschlichen Stimme und der Abhängigkeit von bester Gesundheit und sehr guter Tagesform gibt es so etwas nicht alle Tage!

Susanne Bernhard begeistert in der Sopran-Stimme! Selbst in höchsten Höhen erklingt ihre Stimme absolut makellos und erstrahlt wie göttlich-gleißendes Licht im Saal. Und das jederzeit ohne auch nur einen Hauch von Schrillheit. Das ist spektakulär! Mit scheinbarer Leichtigkeit und Natürlichkeit übertönt ihre Stimme selbst in sehr, sehr lauten Passagen Chor und Orchester. In den Tiefen singt sie bis auf ganz wenige Momente genauso perfekt, präzise und kraftvoll.

Die Mezzosopranistin/Altistin Marion Eckstein, unter vielen anderen Auszeichnungen mit dem begehrten Gramophone Award ausgezeichnet, singt herrlich schön, ist beeindruckend stabil in den Höhen. In einigen Passagen ist ihre Stimme von Furor, von herrlich wilder Raserei einer Rachegöttin. In den dramatischen Höhepunkten geht ihre Stimme durch Mark und Bein. Sensationell!

Dovlet Nurgeldiyev, der beste Sänger im Ensemble der Hamburgischen Staatsoper, singt die Tenor-Partie. Seine Technik ist absolut makellos, die wundervolle Schönheit seiner Stimme berührt immer wieder die Herzen vieler Hörer, so auch am heutigen Abend. Er singt seine Rolle perfekt in allen geforderten Tonlagen, mit besonders dichter und cremiger Stimme, intensiv, feierlich. Auch seine Stimme schwingt sich bei aller ihr innewohnenden Sanftheit mit beeindruckender Leichtigkeit über sehr, sehr laute Klangwolken von den Chören und dem Orchester. Das ist sensationell gut!

Dovlet Nurgeldiyev ©

Schon jetzt singt er oft an den bedeutendsten Häusern wie der Bayerischen Staatsoper in München, der Staatsoper Unter den Linden in Berlin oder dem Gran Teatre del Liceu in Barcelona. Viele Liebhaber und Experten, darunter der Dirigent Matthias Janz, sagen ihm eine große Karriere voraus. Wie auch beispielsweise für seinen Lensky in der Oper “Eugen Onegin”, so gilt auch hier: Das ist der Standard. Besser kann man diese Rolle nicht singen.

Raimund Nolte, Einspringer für den erkrankten Yorck Felix Speer, ist ein wunderbarer Bass, der sehr natürlich klingt. Seine Stimme zieht in den Bann und vermag herrlich Atmosphäre heraufzubeschwören. Auch seine Höhen sind stark.

Einzig das Sønderjyllands Symfoniorkester spielt an diesem Abend nicht am maximalen Limit, hat hier nicht das formidable Niveau des Chores und der Solisten, die wunschlos glücklich machen.

Vor fast genau einem Jahr in derselben Spielstätte glänzten die Instrumentalisten aus Dänemark mit perfektem Timing, großer Intensität und Spannung. Sie musizierten packend und bereiteten selbst anspruchsvollsten Hörern sehr viel Freude.

Symphonischer Chor Hamburg, Flensburger Bach-Chor, Sønderjyllands Symfoniorkester, Laeiszhalle Hamburg

In der beeindruckenden Klangkunst des Abends und mit dem Aufmerksamkeits-Fokus auf die Sängerscharen wird es kaum jemandem im Saal aufgefallen sein oder gar gestört haben. Es mag dem straffen Programm von drei Konzerten und drei Proben in sechs Tagen in zwei Ländern geschuldet sein, dass die Musiker nicht ganz an ihr gewohntes Spitzenniveau herankommen und einige Mängel herauszuhören waren: Die Streicher und Flöten sind nicht immer spritzig genug. Das Blech ertönt manchmal etwas zu träge, unsauber und in großer Lautstärke bisweilen zu schrill.

In den Fortissimo- und Tutti-Stellen begeistert das Orchester auch an diesem Abend und trägt seinen Teil zu dem Spektakel bei. Die große Trommel im „Dies irae“ ist auf den Punkt, haut so richtig kraftvoll zu und bringt in den heftigsten Stellen gefühlt die Wände zum Wackeln. Dieser Däne haut so mächtig auf die Trommel, dass er den Zuhörern regelrecht gezielte Schläge in den Magen verpasst. Bravo!

Matthias Janz hat seinen Chören das Stück extrem gut vermittelt. Die große Verdi-Komposition atmet ihren Geist unter seinen Händen vorbildlich. Selbst in anspruchsvollsten mehrstimmigen Chor-Passagen finden alle Teile bewundernswert zu einem großen Ganzen zusammen, der Spannungsbogen gelingt über die ganze Länge des Stückes hervorragend.

© A. Schmidt: Professor Matthias Janz und klassik-begeistert.de-Herausgeber Andreas Schmidt in der Elbphilharmonie Hamburg

Die Aufführungsdauer des Verdi-Requiems beträgt etwa 85 Minuten, auf Schallplatte muss man mehrfach zum Plattenspieler gehen, da für das Werk zwei Vinylscheiben mit je zwei Seiten benötigt werden. An diesem großartigen Abend in Hamburg traut man seinen Augen und Ohren nicht, dass diese Aufführung des Requiems so schnell vorbei ist. Den zahlreichen Klasse-Sängern gelingt es, die Zeit wie im Fluge vorbeigehen zu lassen.

85 Minuten Requiem und keine Sekunde Langeweile: Das ist Qualität. Das sind Matthias Janz, der Symphonische Chor Hamburg, der Flensburger Bach-Chor, das Sønderjyllands Symfoniorkester und die herausragenden Solisten Susanne Bernhard, Marion Eckstein,  Raimund Nolte und der wunderbare Dovlet Nurgeldiyev.

Danke und tusend tak für dieses beeindruckende Konzert, ein musikalisches Ereignis, das es in solcher Dimension nur selten zu hören gibt.

Das nächste Konzert des Symphonischen Chores Hamburg findet wieder in der Elbphilharmonie in Hamburg statt. Am 23. Februar 2020 um 11 Uhr singen die Musiker – wieder gemeinsam mit der wunderbaren Marion Eckstein – César Francks Les “Béatitudes”. Die Spitzen-Sopranistin Hanna Zumsande ist auch wieder mit von der Partie. Im April 2018 brillierte sie höchst bewundernswert mit dem Symphonischen Chor Hamburg unter Matthias Janz in Felix Mendelssohn Bartholdys “Elias”.

Felix Mendelssohn Bartholdy, Elias, Symphonischer Chor Hamburg, Laeiszhalle Hamburg

Am 15. und 16.3.2020 tritt der Symphonische Chor Hamburg dann gleich wieder in der Elbphilharmonie auf mit dem Philharmonischen Staatsorchester. Die Konzerte sind bereits ausverkauft. An der Abendkasse gibt es immer wieder Retour-Karten.

Es gibt nicht viele Chöre, die so häufig so prominent auftreten. Nicht-professionelle Chöre, zu denen der Symphonische Chor Hamburg und der Flensburger Bach-Chor formal zählen, gibt es mit diesem Format weltweit nur selten.

Am Ende gibt es gewaltigen Applaus, viele Minuten lang und verdiente stehende Ovationen von mehr 1700 begeisterten Zuhörern in der bis auf die Hörplätze ausverkauften Laeiszhalle!

Sebastian Koik, 25. November 2019, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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