Foto: Symphonischer Chor Hamburg (c)
Laeiszhalle Hamburg, 15. April 2018
Felix Mendelssohn Bartholdy,
Elias / Oratorium nach Worten des Alten Testaments op. 70
Symphonischer Chor Hamburg
Elbipolis Barockorchester Hamburg
Hanna Zumsande, Sopran
Marion Eckstein, Alt
Hyungseok Lee, Tenor
Martin Berner, Bass
Leitung Matthias Janz
von Sebastian Koik
Zu Beginn des Konzerts setzt Martin Berner, einer der beiden brillanten männlichen Solisten, eine sehr starke Duftmarke, demonstriert herrlich unprätentiös und natürlich seine immense Qualität!
Bald darauf erhebt sich der Chor. Und nur kurze Zeit später passiert es dann: Der Chor hebt mit vereinter, gewaltiger Stimme an: Es ist überwältigend!!! – und sofort wird klar, was Sache ist: Das ist ganz und gar nicht ein gewöhnlicher Amateurchor! Man erlebt etwas Besonderes! Man hört ein Konzert eines der ambitioniertesten Chöre Deutschlands. Es darf sich glücklich schätzen, wer eine der begehrten Konzertkarten erhält.
Wer den Symphonischen Chor Hamburg zuvor noch nicht gehört hat, wird spätestens nach diesen ersten Sekunden erkannt haben, dass das ein prachtvolles Konzert wird! Beeindruckende Stimmgewalt und Lautstärke, größte Zartheit, mal zornig und aufgebracht, mal sanft, mal dramatisch.
Und das immer klangschön, voller Präzision und mit großem Verständnis für die Musik. Auch sind bei der wunderbaren Artikulation des Chores die Texte hervorragend zu verstehen.
Wunderbar sind auch die Solisten!
Der gebürtige Hamburger Bass Martin Berner singt mit erstaunlicher Autorität und Natürlichkeit. Er IST an diesem Tag ganz seine Rolle, agiert bei diesem Konzert in Hamburg mit geradezu prophetischer Kraft. Wie viel Ruhe und Frieden dieser eine Mann in den Saal strahlt, dieses Gefühl von Aufgehobensein und Sicherheit, das er vermittelt: Das ist ganz, ganz groß! Den Namen sollte man sich merken.
Der Tenor Hyungseok Lee begeistert mit cremiger, weicher Stimme und langem Atem. Besonders gegen Ende der ersten Konzerthälfte singt er mit einer Stimme voller Licht und Strahlkraft. Gibt es noch weitere Konzertbesucher, die er mit seinem herrlich schönen Gesang an die goldene Stimme Prags, Karel Gott, denken lässt? Ein Erlebnis!
Wie Martin Berner und Hyungsoek Lee brilliert die Sopranistin Hanna Zumsande in diesem Konzert! Ihre Stimme ist groß, kraftvoll, voller weicher Cremigkeit und Dichte. Ihre Höhen sind kristallklar. Besonders zu Beginn des Konzerts blitzen sie scharf auf wie zustoßende Dolche! Unvergessliche Augenblicke! Ihre Stimme, vor allem in den Höhen, berührt und vermag zu erschüttern. Auch diesen Namen sollte man sich merken!
Marion Eckstein macht ihre Sache sehr gut, vermag aber nicht ganz so sehr zu glänzen, wie ihre Solisten-Kollegen. Bei guter Technik und Präzision klingt sie ein wenig gehetzt, unnatürlich, gedrückt, eng. Anders als Berner, Zumsande, Lee und Fischer, die Außergewöhnliches leisten, nimmt man ihr ihre Rolle nicht zu 100 Prozent ab.
Doch das sind ebenso wie die in manchen Passagen zu Beginn des Konzertes leicht fehlende Spritzigkeit des Elbipolis Barockorchesters Hamburg geringe Makel in einem Konzert voller Höchstleistungen. Die Musikalität des Orchesters unter der Leitung von Professor Matthias Janz ist sehr schön, von Beginn bis Ende herrscht eine wunderbare Spannung im Vortrag!
Das Konzert ist reich an Highlights. Alle Sänger überzeugen. Wenn der Damenblock voller Reinheit und Unschuld singt, würde man blind denken, einen der großen Knabenchöre des Landes vor sich auf der Bühne zu haben.
Der Herrenblock zeigt sich ebenfalls herrlich zart und weich. Die Laeiszhalle ist erfüllt mit Frieden und Schönheit!
Wenn der Chor voller Massivität „Gib‘ uns Antwort“ singt, dann ist das von gewaltiger Überzeugungskraft … und geballter, höchst konzentrierter Volkswille. Immer und immer wieder präsentiert sich das Sänger-Kollektiv als unwiderstehliche Einheit, singt mit einer Stimme feurig, stürmisch, aufgebracht.
Lara-Ann Fischer singt aus dem 1. Rang die Rolle des Knaben. Ihre hohe Stimme ist rein und wirkt geschlechtslos, engelsartig und ist sensationell ätherisch. Das ist ganz stark und berührt.
Nach der Pause beschwören himmlische Flöten innerhalb sehr kurzer Zeit die Atmosphäre von zuvor herbei. Wenn der Chor lange immer und immer wieder „Fürchte Dich nicht“ singt, so will man es ihm glauben! Man lässt sich vom Symphonischen Chor Hamburg wegtragen in ein Reich ohne Furcht.
Ein zwölfköpfiger Mädchenchor singt aus dem ersten Rang herrlich schön a capella! Diese Reinheit! Diese Klarheit! Diese Unschuld! Das berührt! Matthias Janz dreht sich zu ihnen nach rechts oben. Es sieht ein wenig so aus, als dirigierte er Engel im Himmel.
Dann singt wieder der ganze Chor. Es ist so wunderbar heilsam, ihm zu lauschen! Der hoch ambitionierte Amateur-Chor auf Profi-Niveau singt weich, warm, schön präzise. Diese Leistung beeindruckt!
Immer und immer wieder lässt man sich von diesem wunderbaren Sänger-Ensemble davontragen.
Hanna Zumsande sorgt wieder und wieder für Gänsehaut-Momente. Ebenso der Chor. Er singt derart überzeugend „Heilig ist Gott der Herr!“, dass in diesem Moment selbst härteste Atheisten glauben dürften.
Matthias Janz leitet enorm musikalisch und mit idealem Tempo … und perfekter Balance zwischen den Stimmen und dem Orchester. Man hört und spürt sein tiefes Verständnis für dieses große Werk Bartholdys in jedem Moment. Immer und immer wieder beschwört er faszinierende Stimmungen hervor, besonders schön idyllische Bilder, Oasen des Friedens und der Geborgenheit.
Es ist höchst bewundernswert, was der Dirigent Matthias Janz mit leidenschaftlichen Amateur-Sängern erarbeitet! Und das seit 1985! Seit 33 Jahren. Schön, dass dieses Engagement und diese außergewöhnliche Leistung mit zahlreichen Preisen, unter anderem dem Bundesverdienstkreuz, bedacht wurde. Solche Menschen machen dieses Land reich! Reich an Kultur, Leben, Schönheit und Sinn!
Ein wunderschönes und ergreifendes Konzert! Der verdiente kraftvolle Applaus dauert fast ewig.
Sebastian Koik, 16. April 2018,
für klassik-begeistert.de