Der Abend des 30. November 1963 bescherte die erste „göttliche“ Ariadne. Wie Leonie Rysanek über die Stimmen der Quellnymphe, der Baumnymphe und des Echos ihre mächtige Stimme erhebt, sie gleichsam in die Schranken weist, war für mich noch nie so erlebt. Es war ihr Abend. Ernst Märzendorfer war der Dirigent.
Foto: Leonie Rysanek hier als Kaiserin in „Frau ohne Schatten“ – Autogrammkarte von klassik-begeistert.de-Autorin Kirsten Liese
von Lothar Schweitzer
Der Familienrat hat es beschlossen. Zwischen den Feiertagen der Weihnachtszeit gehen wir in die Oper. Meine Tante mit Sinn für Ausgefallenes suchte „Ariadne auf Naxos“ aus. Wir füllten fünf der damals sechs Sitze der Loge aus. Ich bin gerade eben zehn Tage Opernfan, aber für italienisches Repertoire. Jeden Tag hatte ich mir bis zu zehnmal „Una furtiva lagrima“ mit Mario Lanza aufgelegt. Also hörte ich unvorbereitet am 5. Januar 1958 zum ersten Mal Richard Strauss. Ich zeigte mich gelangweilt. Dass eine Anneliese Rothenberger die Najade sang, konnte mich damals nicht beeindrucken und habe es erst jetzt beim Nachschauen im Archiv der Wiener Staatsoper in Erfahrung gebracht. Rudolf Schock, mir aus dem Radio etwas geläufig, war der Bacchus. Ich erinnere mich an eine kleine Stimme im Hintergrund. Rita Streich als Zerbinetta war mir von einer Zauberflöten-Aufführung ein Begriff.
Ein Sänger beeindruckte mich nachhaltig und sein für mich noch unbekannter Name blieb mir im Gedächtnis: Paul Schöffler als Musiklehrer. Ich wurde bald sein Fan (Mathis der Maler, König Philipp, Don Alfonso, Hans Sachs leider nur auf Schallplatte). Da war noch Irmgard Seefried. Sie erhielt nach dem Vorspiel für ihren Komponisten begeisterten Applaus. Meine Großmutter kommentierte: „Die Jugend. Sie kennt nichts anderes.“ Für sie klang die Stimme zu hart. Am Rande vermerkt: Meine Großmutter gehörte zur Anhängerschaft von Lotte Lehmann versus Maria Jeritza. Wenn uns heute junge Stimmen zu hart vorkommen, denke ich zurück an meine Großmutter und hege den Verdacht, ob dies bei uns nicht eine Alterserscheinung ist. Dirigent war George (György) Szell, ungarischer Abstammung, Leiter des Cleveland Orchestra, das er auf europäisches Niveau brachte. Aber das war mir damals natürlich nicht bewusst. „Meine Lieblingsoper 21: „Ariadne auf Naxos“ von Richard Strauss, Teil 1
Wiener Staatsoper“ weiterlesen