© Marco Borggreve
Elbphilharmonie Hamburg, 4. Mai 2018
NDR Elbphilharmonie Orchester
Thomas Hengelbrock, Dirigent
Matthias Goerne, Bariton
Gustav Mahler, Adagio (1. Satz) aus der Sinfonie Nr. 10 Fis-dur
Gustav Mahler, Kindertotenlieder
Ludwig van Beethoven, Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op.55 „Eroica”
von Yehya Alazem
Thomas Hengelbrock ist seit 2011 der Chefdirigent des NDR Elbphilharmonie Orchesters, und mit der aktuellen Saison geht seine Amtszeit zu Ende. Um auf Mahlers Kindertotenlieder einzustimmen, beginnt das Konzert in der Elbphilharmonie am Freitagabend mit dem „Adagio“-Satz aus seiner 10. Symphonie.
Hengelbrock und sein Orchester bringen in diesem Satz die kreativen Klangfarben, die Mahler sich so ausdrucksstark vorstellte, wunderbar hervor. Das Zusammenspiel ist transparent, die Kommunikation zwischen allen Instrumentengruppen ist so hervorragend, dass sie einen einheitlichen und klaren Klangkörper bilden. Das Orchester kreiert eine mystische Mischung, die die Temperatur im Raum erhöht. Das Ganze klingt gefühlsstark und schicksalsvoll und endet in einem herrlichen Pianissimo.
Der in Weimar geborene Bariton Matthias Goerne ist momentan einer der meist gefragten Sänger in den Opern- und Konzerthäusern der Welt. Vor allem im Lied-Bereich hat er sich mit seinen Interpretationen von Schubert und Schumann einen großen Namen gemacht. Auch mit Mahler-Liedern war er bereits in einigen Konzerthäusern zu hören und hat Einspielungen zusammen mit Josep Pons und Riccardo Chailly gemacht.
Im Mahlers Liederzyklus „Kindertotenlieder“ fängt Goerne im ersten Lied ein wenig zu tief an, wird auch vom Orchester ein bisschen übertönt, entwickelt aber dann einen schönen hellen Klang und singt sehr ausdrucksstark mit feinen Nuancierungen. In „Nun seh’ ich wohl, warum so dunkle Flammen“ strahlt seine Stimme am meisten, und sie fließt warm in den Großen Saal. Er bietet hochemotionale, subtile Pianissmi. Im dritten Lied hören wir einen wunderschönen Dialog zwischen den Holzbläsern, dazu liefert Goerne eine sehr emotionale, rätselhafte musikalische Darstellung, die sich im vierten Lied in Hoffnung verwandelt. Im fünften Lied fängt Goerne ganz wütend mit dem aufgeregten Orchester an und überzeugt danach mit einer wunderschönen Wärme.
Nach der Pause steht die 3. Symphonie von Ludwig van Beethovens „Eroica“ auf dem Programm. Dem ersten Satz fehlt es zwar nicht an Energie, aber das Orchester klingt sehr unbalanciert. Der zweite Satz ist recht dynamisch, aber das Ganze klingt zu nichtssagend. Hengelbrock kitzelt viele Details heraus, ohne den Zuhörer eine innere Tiefe oder Botschaft fühlen zu lassen. Die Musik fließt in der gesamten Symphonie nicht richtig. Der dritte Satz gelingt noch am besten in dieser Aufführung; nun findet Hengelbrock ein Gleichgewicht im Orchester und kann durch die Dynamik ein schönes, fröhliches Spiel hervorbringen. Dieses frische Spiel behält er auch im vierten Satz. Insgesamt fehlt es dieser Interpretation an Tiefe und Ausdruckskraft.
Yehya Alazem, 5. Mai 2018, für
klassik-begeistert.de