John Neumeier, Peter Schmidt, Edvin Revazov, Jacopo Bellussi, Silvia Azzoni, Alexandre Riabko, Xue Lin, die Tanzjournalistin Dr. Dorion Weickmann und Demis Volpi (Foto: RW)
Am Ende war es sekundenlang mucksmäuschenstill im Saal. Erst als der Vorhang die Bühne völlig verdunkelt hatte, brach sich der angestaute Jubel des Publikums Bahn. Zahlreiche Blumensträuße flogen auf die Bühne und John Neumeier wurde mit stehenden Ovationen gefeiert.
Tod in Venedig
Ein Totentanz von John Neumeier nach der Novelle von Thomas Mann
Musik: Johann Sebastian Bach und Richard Wagner
Choreographie, Inszenierung und Lichtkonzept: John Neumeier
Bühnenbild: Peter Schmidt
Hamburg Ballett in der Staatsoper Hamburg, 9. Februar 2025
91. Vorstellung seit der Premiere am 07. Dezember 2003
von Dr. Ralf Wegner
Bei John Neumeiers Ballett Tod in Venedig stimmt einfach alles, eine geniale Choreographie, ein auf das Wesentliche reduziertes Bühnenbild, welches den Tänzerinnen und Tänzern genügend Raum lässt, ein ausgezeichnetes Tanzensemble und nicht zuletzt eine herausragende Klavierbegleitung durch David Fray.
Bei der Premiere im Jahre 2003 noch als Tadzio besetzt, tanzte Edvin Revazov jetzt den Part des ausgebrannten, sich dem Leben bis zum Tod unterwerfenden Choreographen Aschenbach. Revazov legte die Rolle eher schüchtern, fast in sich gekehrt an, wie jemand, der sich den auf ihn einstürmenden Eindrücken hilflos ausgeliefert sieht und zum Widerstand nicht mehr fähig ist. Auch diese Sicht auf Aschenbach überzeugte.
Anna Laudere hatte sich als Aschenbachs Assistentin ganz auf den anfangs in einen streng-herrischen Kokon eingesponnenen Vorgesetzten eingestellt. Wie sie allein mimisch seine Wünsche vorausahnte und stets auf der Hut war, ja nicht negativ aufzufallen, war großartig interpretiert. Als Aschenbachs Mutter tollte sie mit dem jüngeren Aschenbach (Jakub Zoupina) ausgelassen herum, so dass es eine Freude war, den beiden zuzuschauen.
Vieles ist nur Aschenbachs Erinnerung oder wohl auch träumerische Vorstellung, vor allem wohl die Szenen mit Tadzio, der von dem jungen, hochgeschossenen Caspar Sasse überzeugend getanzt und dargestellt wurde. Nach wie vor gehört der Schluss-Pas de deux Aschenbach/Tadzio zur Musik von Isoldes Liebestod zum berührendsten, was John Neumeier choreographiert hat.
Louis Musin und Artem Prokopchuk agierten perfekt mit hoher Synchronizität als Reisebegleiter Aschenbachs, sie zeigten sich ebenso sprungstark wie Emiliano Torres als Tadzios Freund Jaschu oder die anderen Jungen am Strand (Jack Bruce, Francesco Cortese, Bruno Garibaldi, Javier Monreal, Filipe Rettore, Joao Santana und Jakub Zoupina)
Silvia Azzoni und Alexandre Riabko bewiesen als Aschenbachs Konzepte erneut, dass sie auf der Hamburger Ballettbühne unverzichtbar sind. Mit welcher stupenden Eleganz und Grazie die Tänzerin über Riabko und Revazov schwebte und sich, völlig der Musik hingegeben, schraubenförmig nach unten drehte, war höchste Ballettkunst. Jacopo Bellussi und Xue Lin glänzten als Friedrich der Große sowie La Barberina, nicht zu vergessen Eleanor Broughton, Hermine Sutra Fourcade und Ana Torrequebrada, die als Tadzios Schwestern allerliebst zum Gelingen des Balletts beitrugen.
Am Ende war es sekundenlang mucksmäuschenstill im Saal. Erst als der Vorhang die Bühne völlig verdunkelt hatte, brach sich der angestaute Jubel des Publikums Bahn.
Zahlreiche Blumensträuße flogen auf die Bühne und John Neumeier wurde mit stehenden Ovationen gefeiert.
Demis Volpi, sein Nachfolger im Amt, betrat schließlich die Bühne und überreichte seinem Vorgänger einen üppigen Blumenstrauß.
Schließlich trat auch noch Peter Schmidt nach vorn und ließ sich für sein stringentes, den Tänzerinnen und Tänzern viel Raum lassendes Bühnenbild feiern. Auch ihm wurde ein großer Blumenstrauß überreicht.
Zu guter Letzt kündigte Demis Volpi eine Ehrung an. Die Zeitschrift Tanz würde John Neumeier heute mit dem neu geschaffenen Preis Lifetime Achievement Award für sein Lebenswerk ehren. Die Tanzjournalistin Dr. Dorion Weickmann hielt die Preisrede, lobte John Neumeier für sein alle Kategorien umfassendes Lebenswerk, und Neumeier bedankte sich höflich, gab dieses Lob aber an sein Ensemble weiter.
Ohne seine Tänzerinnen und Tänzer gäbe es seine ca. 174 Ballette überhaupt nicht. Sie würden nur in dem Ensemble lebendig sein. Ballett sei Gegenwart, nie Vergangenheit, auch Verfilmungen könnten seine Choreographien nicht am Leben halten. Frau Dr. Weickmann ergänzte zu Recht, dass Neumeiers Ballette nicht nur beim Ensemble aufgehoben seien und bewahrt würden, sondern sich auch in die Herzen der Zuschauer und Zuschauerinnen eingegraben hätten. John Neumeier wirkte ob dieser Worte sichtlich bewegt.
Dr. Ralf Wegner, 10. Februar 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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