Man fühlt sich wie in einer anderen Welt: Strauss und Brahms in der Laeiszhalle

Werke von Johannes Brahms und Richard Strauss, Symphoniker Hamburg, Jacek Kaspszyk, Dirigent  Laeiszhalle Hamburg, 9. Oktober 2022

Was war das für ein Wörthersee-Feeling in der Brahms-Stadt an der Elbe! Jacek Kaspszyk gelingt ein musikalisches Brahms-Wunder, Sarah Wegener verzaubert mit den Vier letzten Liedern von Richard Strauss.

Symphoniker Hamburg
Jacek Kaspszyk, Dirigent
Sarah Wegener, Sopran

Werke von Johannes Brahms und Richard Strauss

Laeiszhalle Hamburg, 9. Oktober 2022

von Johannes Karl Fischer

Vor genau vier Wochen bestieg ich den Brahms-Weg in Pörtschach am Wörthersee. Eine kleine Ortschaft unweit von Klagenfurt, in der mein Namensvetter eine Handvoll Werke von Weltruf schuf. Freilich auch die 2. Sinfonie, mit Melodien ebenso malerisch wie die Kärntner Voralpenlandschaft. Heute mal in der Laeiszhalle, einen Katzensprung von Brahms’ Geburtshaus – das leider nicht mehr steht – entfernt.

Und was war das für ein musikalisches Wörthersee-Feeling in der Brahms-Stadt! Ruhig, entspannt schwebt die Musik dahin. Ein kleiner Abendspaziergang am Rande eines glasklaren, charakteristisch türkisem Alpensee. Das berühmte zweite Bratschen-Thema, es singt irgendwo ganz tief aus der Seele, wunderbar gespielt von der Hamburger Symphonikern. Insgesamt ein sehr flüssiger, plätschernder Klang. Völlig unverdient, dass sich dieses Orchester in Sachen Ruf und Prominenz immer hinter der Konkurrenz vom NDR und der Staatsoper anstellen muss. Solche seidensanften Hörer habe ich bislang in keinem der Hamburger Profi-Orchester gehört.

Jacek Kaspszyk gelingt ein Wunder: Die ganze Sinfonie greift er kein einziges Mal in die Schublade der hackenden, harten Klänge. Freude entlädt sich in springenden Staccati, die idyllische Landschaftsstimmung wird nie gestört. An dritter Stelle ein tanzendes, hüpfendes Allegretto, dann das fröhliche und fetzige Finale.

Das war nur die zweite Hälfte. Auch die Erste war mit der Wurst nach der Speckseite – Vier letzte Lieder von Richard Strauss. Exzellent gesungen von Sarah Wegener, mit voller Leidenschaft schwebte sie in dem äußerst anspruchsvollen Werk von Richard Strauss herum. Grüne Almwiesen sind auch hier wieder angesagt, diesmal aus der Schweiz.

Man fühlt sich wie in einer anderen Welt, in der nicht Mütter um ihre Söhne, sondern Gärten um ihre Blumen trauern. Ein Ort der musikalischen Zuflucht, die Melodien ruhen sich auf dem weichen Klangpolster des Orchesters aus. Eine halbe Stunde himmlischer Gesang voller lang gezogenen Linien, umschwärmt von Streicherklängen so köstlich wie ein gutes, dampfendes Erdäpfelgulasch.

Leider gab es eine Unterbrechung dieser fließenden Dauer-Melodie, nämlich Adrian Iliescus Geigen-Solo in Beim Schlafengehen. Sorry, diese eigentlich wunderschöne Stelle war einfach zu hart gespielt, ein fast schon hölzerner Klang. Anscheinend hätte er lieber das Tschaikowski-Violinkonzert auf dem Programm gehabt; leider etwas unpassend für eine Stelle, dessen Noten starke Assoziationen an das Rosenkavalier-Schlussterzett hervorrufen. Naja, dauert ja nicht lang, dann setzt die Sopranistin wieder ein und die Seele darf unbewacht weiterträumen…

Es müssen nicht immer dieselben namenhaften Orchester und Star-KünstlerInnen sein, um mit solchen Meisterwerken für magische Momente in den Konzertsälen zu sorgen. Leider war die Laeiszhalle alles andere als üppig besetzt, die Musizierenden hätten gerne ein wenig mehr Publikum mit entsprechend mehr Applaus verdient. Jetzt wird es richtig spannend: Kriegt die Star-Besetzung um Camilla Nylund und Christian Thielemann das im Dezember besser hin?

Johannes Karl Fischer, 9. Oktober 2022 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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