Foto: Freja Sandkamm, Marie Sophie Richter und Franziska Buchner, (c) Inken Rahardt
Die Wiederaufnahme des „Ring des Nibelungen“ im Opernloft Hamburg-Altona am 26. Februar 2022
von Jolanta Łada-Zielke
Der Ring des Nibelungen ist ein Hula-Hoop-Reifen, die Walhalla – ein Barbie-Puppenhaus, Siegfried poliert sein Lichtschwert Notung an einem Fahrradrad und Wotan hat Angst vor dem Jugendamt. Drei Schülerinnen erzählen die Richard Wagner Tetralogie, verkörpern abwechselnd die Figuren des Dramas und verwenden verschiedene Spielzeuge als Requisiten.
Die musikalische Begleitung besteht ebenfalls aus drei Personen: Amy Brinkman-Davis, die die ganze Vorstellung am Klavier leitet, Sarah Wewer (Violine) und Bethany Kutz (Horn). Den 16-stündigen „Ring des Nibelungen“ hat man zwar auf anderthalb Stunden gekürzt, aber nicht vereinfacht. Die Regisseurin Inken Rahardt behält die größten Highlights wie „Weiche, Wotan, weiche”, „Hojotoho”, oder „Leb wohl, du kühnes, herrliches Kind” und fügt viel gesprochenen Text ein.
Jedes der Mädchen hat eine andere Aufgabe: Lena (Freja Sandkamm) schreibt ein Referat zum „Ring des Nibelungen“. Dabei hilft ihr Paula (Franziska Buchner), die als einzige den Inhalt jeder der vier Opern genau kennt und die Rollen verteilt. Emily (Marie Sophie Richter) ist am wenigsten mit dem Thema vertraut, assoziiert aber die Aktion des „Ring…“ mit dem Inhalt ihrer Lieblingsserien.
Alle drei singen das Rheintöchter-Terzett, was aus Sicht der Besetzung logisch ist. Jede hat noch zumindest drei andere Rollen. Die hervorragende Mezzosopranistin Franziska Buchner singt Wotan und die Bösewichte: Alberich, Fafner und Hagen. Ihre Stimme verfügt über eine schöne, dunkle Farbe und bewegt sich frei in der Mittellage. Marie Sophie Richter (Sopran) verkörpert Siegmund und Siegfried, sowie die Urmutter Erda und eine der Walküren. Diese Sängerin erinnert mich – in dieser Vorstellung – an den Tenor Norbert Ernst, der im Projekt „Wagner für Kinder“ in Bayreuth die Heldenrollen spielt. Marie Sophie wirkt auf der Bühne genauso professionell, witzig und überzeugend wie er.
Ich bewundere diese zwei Sängerinnen, weil sie die Männerpartien in Originaltonarten singen und oft in die Brustlage hinuntergehen. Dies ist nicht einfach, wenn man sich gleichzeitig auf der Bühne viel bewegt, läuft oder springt. Daher klingt ihr Gesang manchmal wie ein Rezitativ, was die Aufführung jedoch nicht stört.
Ein ähnlich hohes künstlerisches Niveau präsentiert die andere Sopranistin Freja Sandkamm. Sie spielt Sieglinde, Brünnhilde, Waldvogel und Mime. Ihr „Hojotoho“, obwohl in scherzhafter Konvention gesungen, kann gut mit den Aufführungen in Bayreuth konkurrieren. Die Regisseurin und die Dramaturgin Susann Oberacker gaben ihr eine individuelle Eigenschaft. Die Sängerin stammt aus Dänemark, also zitiert ihre Figur Lena ständig dänische Sprichwörter.
Der einzige Mangel ist die fehlende Erklärung, wofür Wotan seine Tochter bestraft. Die von Freja Sandkamm gespielte Brünnhilde ist ein Mädchen in der Pubertät, das seinem Vater mit dem Jugendamt droht. Hundig kommt nicht in der Besetzung vor und das Duell mit Siegmund findet nicht statt. Deswegen könnten sich hier diejenigen verwirrt fühlen, die den Inhalt von „Walküre“ nicht kennen. In der musikalischen Seite vermisse ich das Siegfried-Leitmotiv, das man auf dem Horn spielen konnte. Man kann jedoch in solch einer Abkürzung nicht alles hinkriegen.
Jede der drei Frauen ist der Herausforderung gewachsen, fünf oder sechs Charaktere von „Ring des Nibelungen“ zu verkörpern. Alle sind großartig, sowohl in Bezug auf die Schauspielerei als auch auf den Gesang. Ihre Stimmen vibrieren so viel wie nötig und vor allem auf hohen, lang gehaltenen Tönen. Es macht mehr Spaß ihnen zuzuhören, als manchen Wagner-Sängerinnen mit einem wackeligen, unkontrollierten Vibrato. Ich hoffe, diese drei „Elbtöchter” eines Tages im Festspielhaus in Bayreuth zu sehen; natürlich wenn sie selbst dort sein möchten. Für die Aufführung am 26. Februar 2022 gebe ich ihnen allen die beste Note. Die Zuschauer, deren Anzahl aufgrund der noch andauernden Pandemie von 200 auf 60 Personen begrenzt wurde, belohnten die Künstlerinnen mit riesigem Applaus.
Zum Schluss fragt Emily, wozu diese ganze Geschichte passiert ist, wenn am Ende der Ring sowieso bei den rechtmäßigen Besitzerinnen zurücklandet. Paula sagt, dass das Werk nachweist, wie dumm und destruktiv die Machtgier sein kann. Ich glaube, das Publikum hat diese Pointe mit der aktuellen politischen Situation in Europa in Verbindung gebracht. Die Botschaft der Wagner-Oper ist zeitgemäß.
von Jolanta Łada-Zielke, 26. Februar 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Interview: Inken Rahardt, Der Ring des Nibelungen, Opernloft im alten Fährterminal Altona,