Musikverein Wien, 19. Juni 2020
Wiener Philharmoniker
Franz Welser-Möst
Foto: Musikverein Wien © FRASHO / franks-travelbox
Richard Strauss: Vier Symphonische Zwischenspiele aus der bürgerlichen Komödie „Intermezzo“ op. 72
Franz Schubert: Symphonie Nr. 3 in D-Dur, op. 200
von Herbert Hiess
Nicht nur Thomas Angyan, der zukünftige Ex-Chef des Wiener Musikvereins hätte sich den Abschluss seiner Karriere anders vorgestellt (das gilt auch für den Staatsoperndirektor Dominique Meyer). Diese pandemische Viruserkrankung hat allen Kulturschaffenden eine böse Falle gestellt, die viele Künstler in echte existenzielle Probleme drängt.
Da haben es die Mitglieder der Wiener Philharmoniker (und demnach Wiener Staatsopernorchester) schon besser; durch ihre Dienstverhältnisse bei den Bundestheatern sind sie in einer relativ abgesicherten Position. Deswegen ist es ihnen umso mehr zu danken, dass sie in dieser horriblen Phase gemeinsam mit Thomas Angyan eine Dreierserie von Konzerten im „Corona-Modus“ (maximal 100 Personen im Publikum, Spieldauer maximal eine Stunde und keine Pause) angesetzt haben.
Das dritte Konzert unter Franz Welser-Möst war eine richtige Freude; man konnte ein wunderbares Konzert hören, wo grundehrlich musiziert und gespielt wurde. Und ich wurde an fast vierzig Jahre zuvor erinnert, wo ich am ziemlich genau den gleichen Platz als Statist bei den Filmaufnahmen zur Symphonie Nr. 5 von Tschaikowsky unter Herbert von Karajan dabei sein konnte. Genau da war Welser-Möst als eine Art Assistent beschäftigt und durfte die Philharmoniker unbedarft ein paar Takte lang dirigieren, während der große Maestro im Technikraum das Geschehen beobachtete und zwischendurch per Lautsprecher zu Welser-Möst und den Musikern grummelte. Damals schenkten die Philharmoniker dem knapp über 20jährigen Maestro kaum Beachtung und spielten eigentlich, was sie wollten.
Natürlich hat sich das Blatt gewendet und heute konnte man einen großartigen Dirigenten bewundern, der ebenso großartige Musiker spielen ließ. In einem deutsch-österreichischen Programm erklangen die vier symphonischen Zwischenspiele aus Richard Strauss Komödie „Intermezzo“ und die dritte Symphonie von Franz Schubert.

Meisterhaft die grandiosen Streicher und Bläser; im zweiten Zwischenspiel „Träumerei am Kamin“ konnte man bei Rainer Honecks Violinsolo regelrecht zerfließen. Ganz exzellent die alle anderen Zwischenspiele und dann Schuberts Symphonie. Trotz der mittelgroßen Streicherbesetzung (sechs Kontrabässe) war der Klang immer noch transparent und fein ziseliert.
Man kann richtig dankbar sein, dass man so ein Konzert live hören konnte und wie auch andere mittlerweile bemerkten – im fast leeren Musikvereinssaal klingt die Musik viel voller und imposanter. Vor allem dadurch, dass die „schallschluckenden“ Menschen größtenteils wegfallen. Diese Akustik ist das große Atout dieses Saales, die man bei Proben und Plattenaufnahmen erleben konnte. Und nicht zuletzt war dieser großartige Saal die zweite Heimat Herbert von Karajans. Irgendwie schließt sich da ein großer Kreis – und vielleicht ist diese spezielle Konzertserie trotz aller Unbilden ein besonderer Markstein als Schluss von Angyans Karriere, dem ich hiermit alles erdenklich Gute wünsche!
Herbert Hiess für klassik-begeistert.de, 20. Juni 2020