Blomstedt und Nielsen sind eine unschlagbare Kombination

Wiener Philharmoniker, Herbert Blomstedt, Leonidas Kavakos, Violine  Wiener Konzerthaus,  27. März 2023

Leonidas Kavakos © Marco Borggreve

Leonidas Kavakos, Violine
Wiener Philharmoniker

Herbert Blomstedt, Dirigent

Johannes Brahms: Konzert für Violine und Orchester in D-Dur op. 77

Carl Nielsen: Symphonie Nr. 5 op. 50

Wiener Konzerthaus,  27. März 2023

von Herbert Hiess

Es ist eigentlich schon fast unstrittig, bei Herbert Blomstedt von einem Wunder zu sprechen. Der äußerst liebenswerte und sympathische Maestro wird heuer am 11. Juli bereits 96 Jahre (!) alt. Obwohl er schon körperlich etwas gebrechlich ist; wenn er auf seinem Drehsessel am Podium Platz nimmt, motiviert er die Musiker mit einer „Jugendlichkeit“, die ihresgleichen sucht. In Zeiten einer dirigentenmäßigen Inflation, wo jede oder jeder glaubt, das Stäbchen in die Hand nehmen zu müssen und doch wenig Erfreuliches liefert, ist Herbert Blomstedt sowieso eine Sensation.

Auch an diesem Abend im Wiener Konzerthaus. Mit dem vierten Konzert in Folge (drei davon im Wiener Musikverein) konnten er und die Wiener Philharmoniker beweisen, dass sie im auch nicht so bekannten Repertoire brillieren.

Schon 2020 zur unsäglichen „Corona-Zeit“ (Wiener Philharmoniker, Herbert Blomstedt, Musikverein Wien, 3. Oktober 2020 – Klassik begeistert (klassik-begeistert.de)) wollten der Maestro und die Philharmoniker diese 5. Symphonie von Carl Nielsen aufführen. Durch die Programmgestaltung und anderes musste dieses Programm verschoben werden und statt dessen Beethovens „Eroica“ gebracht werden – was natürlich auch kein Fehler war.

Herbert Blomstedt © Astrid Ackermann

„Jetzt haben Sie Ihren Nielsen“ sagte Blomstedt angeblich in einem Interview – und Gott sei Dank hatten wir ihn jetzt tatsächlich. Diese Aufführung und Nielsens Musik machten neugierig, musikgeschichtliche Vergleiche heranzuziehen. Das im Prinzip zweisätzige Werk (mit vielen Unterabteilungen) erinnert frappant an Dmitri Schostakowitsch – vor allem bei den Passagen mit dem Schlagwerk und dem unerbittlichen Marschrhythmus erinnert doch an die „Leningrader Symphonie“ (Nr. 7) des russischen Komponisten. Phantastisch, was für ein Tongemälde die phantastischen Philharmoniker und Blomstedt da zauberten. Ereignishaft auch das Klarinettensolo. Die Aufführung hat bewiesen, wie massiv unterschätzt der dänische Komponist Nielsen auch ist.

Vor der Pause kam eines der schönsten romantischen Violinkonzerte, nämlich das von Johannes Brahms zum Erklingen. Der griechische Stargeiger Leonidas Kavakos machte gemeinsam mit den Philharmonikern aus diesem wunderschönen Werk ein tatsächliches Fest. Obwohl man sich schwer tut, einzelne Instrumente hervorzuheben – der Bläserchoral im Adagio unter Anführung des superben Oboisten war tatsächlich singulär.

Für Kavakos sind offenbar technische Fragen nur Beiwerk; hochvirtuos ließ er das tolle Instrument erklingen. Egal, ob rasante Läufe, Doppelgriffe oder intensive Kantilenen und Bögen – hier konnte man seit langer Zeit wieder eine traumhafte Wiedergabe dieses Werkes erleben. Für den wohlverdienten Applaus bedankte sich der Geiger mit einer Zugabe von J.S. Bach (Sarabande und Double aus der Partita Nr. 1 h-moll BWV 1002).

Nochmals zu Blomstedt: Auch bei Brahms konnte er die Musiker zu Höchstleistungen anspornen. Bei den dramatischen Teilen ließ er die Klänge explodieren; bei den sanften Kantilenen ließ er die Musik schweben. Und wie er im Finalsatz am Ende des dritten Taktes das Sforzato mit einem Rubato noch betonte – das bringen heute die wenigsten zusammen.

Herbert Hiess, 29. März 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Herbert Blomstedt, Dirigent, Mendelssohn, Bruckner München, Herkulessaal, 13. Januar 2023

Alan Gilbert & NDR Elbphilharmonie Orchester, Lisa Batiashvili, Leonidas Kavakos, Elbphilharmonie Hamburg, 2. & 4. September 2020, 18:30 & 21:00 Uhr

Blu-ray Rezension: Herbert Blomstedt, Wiener Philharmoniker, Honegger und Brahms klassik-begeistert.de

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