Gärtnerplatz, München – Mozarts rätselhaftes Meisterwerk macht Spaß auf leichten Füßen der Poesie – Kasperl- im Menschentheater

Wolfgang Amadeus Mozart, Die Zauberflöte, Theater am Gärtnerplatz, München, 4. März 2018

Titelbild: © Marie-Laure Briane
Wolfgang Amadeus Mozart, Die Zauberflöte, Theater am Gärtnerplatz, München,
4. März 2018

von Tim Theo Tinn

Die acht Jahre alte Inszenierung hat sich von sämtlichen Deutungszwängen befreit und wurde von Rosamund Gilmore mit leichter, gekonnter und wissender Hand gemacht, wie sie ist. Die Rezeptionsgeschichte der Zauberflöten-Inszenierungen ist werkimmanent von Märchen, Zauber, Humanismus und Philosophie durchsetzt. Es gibt keine Versuche mit bis zu intellektuellen Blähungen sogenanntes Heute herzustellen, z. B. kam Sarastro in der Schweiz mal aus dem Kühlschrank. Am Gärtnerplatz wird das Stück absolut heutig in seinem Gewand gelassen, dadurch wird kein Thema negiert, der Zuschauer kann dieses so, ohne Interpretationszwänge mit möglicher Deutungskeule, annehmen.

Kasperltheater wird hier zum Stilmittel im Menschentheater. Puppentheater wird zu atmenden Lebewesen, zu Phantasiegestalten, abstrakt mit prägnanten aber nicht komplexen menschlichen Wesenszügen. Es geht um den Kern menschlicher Wesenszüge in solitären Charakteren.

Fürst Sarastro lässt Pamina, die Tochter der Königin der Nacht, entführen. Den Prinzen Tamino will eine Riesenschlange fressen. 3 Damen töten diese und sind auf den Prinzen scharf. Der ist erst mal umgefallen. Da kommt der vogelfangende Angeber Papageno, behauptet der Schlangentöter zu sein und wird bestraft. Tamino erhält ein Bild der Entführten, ist sofort entflammt und will sie retten. Die beiden erhalten Zauberflöte und magisches Glockenspiel.

Der Mohr Monostatos will Pamina vergewaltigen. Papageno und Monostatos erschrecken voreinander (das ist der Teufel…), flüchten. Monostatos informiert Pamina.

Durch die Zauberflöte verbünden sich wilde Tiere tanzend mit Tamino. Papageno bezwingt Monostatos und Sklaven mit dem Glockenspiel (Kabinettstückchen des Herrenchores „das klinget so herrlich…). Sarastro erscheint nun als gütiger, weiser Verzeiher, erwartet aber Prüfungen von Tamino und Pamina.

Die Königin der Nacht verlangt von ihrer Tochter, Sarastro zu töten. Monostatos will dies erledigen, wenn er Pamina bekommt, wird dafür von Sarastro verbannt und will dann lieber zur Königin der Nacht.

Prüfungen: Tamino und Papageno haben Redeverbot. Die irritierte Pamina will sich deshalb umbringen, wird aber von 3 Knaben bewahrt. Papageno redete lieber, trifft ein altes Weib, der er ein Heiratsversprechen gibt und erkennt dann darin seine Zukünftige, die junge Papagena.

Da die auch wieder fort ist, will er sich nun umbringen, auch hier helfen die 3 Knaben. Tamino und Pamina bestehen die letzte Prüfung, in der sie durch Feuerbrunst und Wasserfälle müssen. Papageno und Papagena kommen zusammen.

„Es siegte die Stärke und krönet zum Lohn, die Schönheit und Weisheit mit ewiger Kron’“.

Das Ganze ist eine reizende Angelegenheit, über Kasperltheater ins Reich der Poesie transportiert. Wunderbare Kostüme aus dem Reich des Puppentheaters und gesprochene Dialoge, an Umgangssprache angelehnt, kommen nicht sakral, schicksalsschwanger, sondern auf einer bodenständigen Sprachebene. Dabei hat der Ausdruck, die Diktion durchgängig noch Luft nach oben. Sechs Tiere (von Tänzern belebt) aus dem Puppentheater sind düster und doch schön. Gorilla, Marabu, Warzenschwein, Hyäne (Ratte??), Schimpanse und Panther spiegeln und ergänzen Vieles.

Die Feinzeichnung der Charaktere zeigt sich in ziselierter Körpersprache. Man geht nach Möglichkeit sehr zart und liebevoll miteinander um, es gibt immer mal ein Tänzchen – das ist einfach schöne, gekonnte Personenregie, nichts ist überfrachtet. Das begründet die Poesie des Abends.

Das Einheitsbühnenbild kommt da eher zurückhaltend: nüchtern sachliche, nützliche Spielfläche mit intelligenter Aufteilung zum agilen Bespielen. Die Farben und Formen sind diskret, leuchtende Dramatik zu emotionalen Höhen gibt es nicht.  Nach Rezensenten-Geschmack ist das funktionales Kunstgewerbe, völlig in Ordnung – aber eine knallige Phantasieorgie wäre auch ganz schön. Akustisch verunsicherte der Eindruck, dass die Stimmen getrübt erscheinen, je weiter sie im Bühnenbild stehen. Daher fand manche Arie auch direkt am Orchestergraben statt.

Das Orchester unter Michael Brandstätter kann leider nur als ordentlich bezeichnet werden. Der Mozart kam etwas hölzern, verschleppt, da fehlte ein „ich weiß nicht was – aber es fehlte“.

Die Besetzung ist gut, sehr gut, es gibt aber auch Ausfälle.

Tamino, Tenor – Dean Power: dem Rezensenten seit Jahren als hervorragender Lyrischer bekannt. Aber an dem Abend stimmte etwas nicht. Wie im Nachgang zu erfahren war, ist Dean Power erkrankt. Daher darf keine weitere Einlassung zu dieser Anstrengung gemacht werden.

Königin der Nacht, Koloratursopran – Sofia Mchedlishvili: ein großes Glück, diese Hübsche mit blitzsauberer nahezu perfekter Stimme in den schwierigsten Arien zu hören. Herzlichen Glückwunsch und danke für dieses Vergnügen.

Pamina, Lyrischer Sopran – Sophie Mitterhuber: noch ein Glück, auch diese Hübsche hat eine großartig ausgeformte Stimme, singt mühelos mit wunderschönem Timbre und dynamisch durch alle Register. Auch ganz oben bleibt immer ein seidiger Glanz, es gibt keine Schärfen.

Papageno,  Bariton – Liviu Holender: er ist Papageno in Saft und Kraft, sein Rollenportrait macht Freude. Gesanglich war alles perfekt.

Sarastro war Christoph Seidl.

Monostatos, Tenor – Maximilian Mayer: erfüllt die überschaubare Partie in Gänze mit guter Qualität, Gesang und Darstellung sind überdurchschnittlich.

Mit allen weiteren Protagonisten konnte ein erfüllender Musiktheaterabend erlebt werden. Das soll keine Plattitüde sein, sondern ehrliches Bekenntnis zu den sehr guten bis guten Leistungen des ganzen Ensembles, ohne weitere Ausfälle. Ungerecht bleibt da immer die Applausverteilung. Die niedlichen 3 Knaben sahnen immer über Gebühr ab – es sind halt Kinder.

Der Chor des Gärtnerplatz–Theaters war ebenso einer der ganz großen Pluspunkte.

Am Gärtnerplatz erleben wir mit dieser einzigartigen Zauberflöte zartes Wunderweben.

Dirigat, Michael Brandstätter
Regie nach, Rosamund Gilmore
Bühne, Friedrich Oberle
Kostüme, Nicola Reichert
Choreinstudierung, Felix Meybier
Licht, Michael Heidinger

Sarastro, Christoph Seidl
Tamino, Dean Power
Sprecher / Erster Priester, Holger Ohlmann
Zweiter Priester / Erster Geharnischter, Tamás Tarjányi
Zweiter Geharnischter, Martin Hausberg
Königin der Nacht, Sofia Mchedlishvili
Pamina, Sophie Mitterhuber
Papageno, Liviu Holender
Papagena, Jasmina Sakr
Erste Dame, Elaine Ortiz Arandes
Zweite Dame, Anna-Katharina Tonauer
Dritte Dame, Anna Agathonos
Erster Knabe, Zeno Böhmler
Zweiter Knabe, David Hoogen
Dritter Knabe, Lino Henglein
Monostatos, Maximilian Mayer

Chor und Ballett des Staatstheaters am Gärtnerplatz
Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz

Tim Theo Tinn, 6. März 2018
für klassik-begeistert.de

Titelbild: © Marie-Laure Briane

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