Foto: ONB Bildarchiv Austria
Traditionell steht an Silvester die Operette “Die Fledermaus” von Johann Strauß II. auf den Spielplänen vieler Opernhäuser, zumindest im deutschsprachigen Raum. Die wie Champagner-Perlen prickelnden Melodien des Wiener Operettenmeisters sind prädestiniert, um die Zuschauer beschwingt in das neue Jahr zu begleiten. Zum großen Erfolg DER Operette schlechthin, trägt aber auch das Libretto, verfasst von Richard Genée, bei. Als Kapellmeister am Theater an der Wien, hatte er mit seinem Sinn für Theater und Musik großen Anteil an diesem Erfolg.
Dirigent, Übersetzer, Librettist, Komponist: Richard Genée war eine der zentralen Figuren in Wien des Genre “Operette”.
von Jean-Nico Schambourg
Franz Friedrich Richard Genée wurde am 7. Februar 1823 in Danzig geboren. Sein Vater, Johann Friedrich Genée, war Sänger und Theaterdirektor. Dennoch begann Richard Genée zuerst ein Medizinstudium, ehe er sich zu einer musikalischen Karriere entschied und bei Adolf Stahlknecht in Berlin Komposition erlernte.
Im Jahre 1846 wurde er von seinem Vater, der damals Direktor des Danziger Stadttheaters war, als Ballettdirigent und 2. Musikdirektor angestellt. Danach arbeitete Genée als Dirigent an mehreren deutschsprachigen Theatern in vielen Städten: Reval (heute Tallinn in Estland, 1848), Riga (1849), Köln (1854), Düsseldorf (1855), Mainz (1857), Schwerin (1862), Amsterdam (1863) und Prag (1864). Nach Schwerin und Prag war er durch die Vermittlung seines Freundes, dem Komponisten Friedrich von Flotow gekommen. In Prag hatten beide die gemeinsam komponierte Oper “Am Runenstein” (1868, Text von Genée) zur Uraufführung gebracht.
Zu Beginn der Spielzeit 1868/69 wurde er als Dirigent an das Theater an der Wien in Wien engagiert und bald darauf zum ersten Dirigenten befördert. In dieser Position blieb er bis 1878, dem Jahr, in dem er seine Tätigkeit als Theaterkapellmeister aufgab, um sich ganz seiner schöpferischen Tätigkeit zu widmen. Als Übersetzer war er in diesen Jahren sehr aktiv und erstellte die deutschen Versionen von Werken von u.a. Jacques Offenbach, sowie Gilbert und Sullivan.
Zu dieser Zeit entstanden auch seine erfolgreichsten Bühnenwerke: die komischen Opern “Der Seekadett” (1876) und “Nanon, die Wirtin vom goldenen Lamm” (1877), beide uraufgeführt am Theater an der Wien.
Genées Partituren zeigen, dass er ein erfahrener Theatermann war. Viele seiner Ensembleszenen und Finale lassen ihn als Komponisten mit einer gründlichen musikalischen Ausbildung erkennen, der sich mit der Technik der Textvertonung bestens auskennt. Allerdings fehlt es seiner Musik am Einfallsreichtum, der die großen Komponisten dieses musikalischen Genres auszeichnet.
So kam es ,dass, als Johann Strauß II. sich dem Komponieren von Operetten zuwandte, Genée um Hilfe gebeten wurde. Ihre Zusammenarbeit begann bei der ersten Strauß-Operette “Indigo und die 40 Räuber” (1871). Nach “Karneval in Rom” (1873) folgte im folgenden Jahr “Die Fledermaus”.
Hierzu schrieb Genée nicht nur den Text zu den Melodien (die Dialoge stammen von Karl Haffner), er unterstützte Strauß auch bei der Ausarbeitung seiner Melodien.
Die erfolgreiche Zusammenarbeit fand seine Fortsetzung später mit “Cagliostro in Wien” (1875), “Das Spitzentuch der Königin” (1880), “Der lustige Krieg” (1881), “Eine Nacht in Venedig” (1883).
Auch zu den großen Operetten “Der Bettelstudent”, “Gasparone” und “Die Dubarry” von Carl Millöcker, “Fatinitza” und “Boccaccio” von Franz von Suppé schrieb Genée die Libretti, ebenso zu Werken von Carl Zeller, Carl Michael Ziehrer und vielen anderen. Er arbeitete dabei meistens zusammen mit Friedrich Zell (Künstlername von Camillo Wanzel).
Schon während seiner Zeit in Mainz hatte Genée, angespornt durch das fröhliche Karnevalstreiben, zahlreiche humoristische Männerchöre, Lieder, Duette, Terzette und einaktige Operetten komponiert. Im Gesamten schrieb er um die 250 mit Opus-Zahlen versehene, zumeist heitere, Werke. Er komponierte mehr als 30 Opern und Operetten, darunter die Operetten “Nanon” (1877) und “Der Seekadett” (1850), sowie die Opern “Der Geiger von Tirol” (1857), “Rosita” (1864) und “Am Runenstein” (1868).
Beim Label “hag” – Hamburger Archiv für Gesangskunst erschien eine Doppel-CD mit Melodienfolgen verschiedener dieser Werke. Auch Orchestertänze, Märsche, Potpourris und Quadrillen nach Musiken anderer Komponisten, einige Klavierstücke, sowie Übungen für Stimmbildung finden sich in dieser Werkreihe wieder.
Eines seiner bekanntesten heiteren Werken ist das komische Lied für Bassstimme mit Begleitung des Pianoforte “Das Fräulein an der Himmelsthür”, opus 36 (Text L. Wiehl). Das Lied gibt jedem Bassisten die Möglichkeit sein schauspielerisches Stimmtalent zu zeigen. Neben dem Erzähler, muss der Sänger auch die Charaktere der handelnden Personen interpretieren: das jungfräuliche Fräulein, den strengen Sankt Peter/Petrus und die fröhlichen Engelein. Das Lied war eines der Zugpferde des beliebten deutschen Bassisten Kurt Böhme, aber auch Aufnahmen von anderen Bassisten, auf YouTube zu sehen, zeugen von deren Komik-Qualitäten:
Dieses, lange Zeit, beim Publikum sehr beliebte Lied, ist in der heutigen Zeit aus dem gängigen Bassisten-Repertoire leider fast gänzlich verschwunden. Humor erscheint heute eben nicht mehr so geil!
Am Lachen sollte aber nicht nur der Champagner “schuld” sein!
Nachträglich Prosit Neujahr!
Jean Nico Schambourg, 7. Januar 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Schammis Klassikwelt (c) erscheint regelmäßig am Sonntag.
Jean-Nico Schambourg, Jahrgang 1959. Gehört einer weltlichen Minderheit an: Er ist waschechter Luxemburger! Und als solcher war es normal, Finanzwirtschaft zu studieren. Begann seine berufliche Karriere bei der Kriminalpolizei, ehe er zur Staatsbank und Staatssparkasse Luxemburg wechselte. Seit jeher interessiert ihn jede Art von Musik, aber Oper wurde seine große Liebe. Er bereist ganz Europa, um sich bekannte und unbekannte Opern und Operetten anzuhören. Nebenbei sammelt der leidenschaftliche Hobbykoch fleißig Schallplatten über klassischen Gesang (momentan ungefähr 25.000 Stück). Sang in führenden Chören in Luxemburg, verfolgt seit einigen Jahren aber ausschließlich eine Solokarriere als Bass. Sein Repertoire umfasst Lieder und Arien in zwölfSprachen. Unter der Bezeichnung “Schammilux Productions” organisiert er selbst jährlich zwei bis drei Konzerte. Perfektionierte sein Singen in Meisterkursen mit Barbara Frittoli, Jennifer Larmore sowie Ramón Vargas, organisiert von “Sequenda Luxembourg”, einer Organisation zur Förderung junger Sängertalente, geleitet von seiner Gesangslehrerin Luisa Mauro. Neu auf klassik-begeistert.de: Schammis Klassikwelt, regelmäßig am Sonntag.