Eric Laporte © Louise Leblanc
Der Quebecer Tenor Eric Laporte begann seine Karriere im Opernstudio Opéra de Montréal und ist seitdem an wichtigen Häusern vor allem in Europa und Nordamerika aktiv. Dank seiner wandlungsfähigen Stimme besitzt der preisgekrönte Tenor ein von Wagner bis Weill reichendes, äußerst breit gefächertes Repertoire. Im dritten Teil unseres Interviews sprechen wir über Kulturfinanzen, Klassik in Kanada und natürlich die aktuelle Bundestagswahl.
Johannes Karl Fischer im Gespräch mit Eric Laporte, Tenor, Teil 3
klassik-begeistert: Herr Laporte, brauchen die Spielpläne der Opernhäuser mehr und neuere Werke? Viele Häuser spielen gefühlt nur die Schlager-Opern wie Zauberflöte, Tristan und Traviata…
Eric Laporte: Den Alfredo in La Traviata habe ich auch schon gesungen, das macht auch super viel Spaß! Aber es gibt so viel gute, interessante Opern. Das Problem sind halt die Finanzen, wir müssen irgendwie am Leben bleiben. In Deutschland hat man eine einzigartige Situation, weil die Theater nicht nur vom Staat unterstützt werden, aber das Volk sozusagen Eigentümer von Kunst und Kultur ist. Das muss man unbedingt so erhalten, aber gleichzeitig sollen die Leute natürlich auch kommen!

Wir haben jetzt mit La damnation de Faust ein Stück, was selbst in Frankreich sehr wenig gespielt wird. Rein businessmäßig ist das natürlich ein Risiko, aber gleichzeitig auch ein Reichtum, dass die Leute ein breites Angebot an Kultur haben. Diese Auseinandersetzung haben wir in Nordamerika nochmal viel stärker. Montréal hat vier Millionen Einwohner und trotzdem nur vier Opernproduktionen mit je vier Vorstellung pro Spielzeit, also vielleicht 16 Vorstellungen pro Jahr, in einem riesigen Saal mit 3000 Plätzen. Das auch noch alles mit den Sponsoren, die letztendlich entscheiden, ob sie Geld geben.
Da muss das Haus dann halt auch immer voll sein und das führt zu einem großen Druck bei der Auswahl des Repertoires und der Art der Inszenierungen. Ich glaube, dass es Lösungen gibt, die man in Betracht ziehen soll, um sich dem neuen Publikum zu nähern, und diese sind sicherlich nicht, nur die Klassiker in „klassischer“ Inszenierung zu spielen. Wie ich bereits erwähnte, um ein Stück empfinden zu können, brauchen die Zuschauer einen gewissen aktuellen Zugang.
klassik-begeistert: Ich habe längere Zeit in San Francisco gelebt, da ist es sehr ähnlich, genauso wie an der Metropolitan Opera…
Eric Laporte: …die auch Geldprobleme hat…
klassik-begeistert: …die aber auch eine der wichtigsten und angesehensten Opernkompanien der Welt ist. Aber wie wird die klassische Musik in Kanada beim Publikum aufgenommen?

Eric Laporte: In Nordamerika sind die Häuser sehr groß, meistens Mehrzweckgebäude mit 2000 oder 3000 Plätzen. Die muss man an einem Abend erstmal voll kriegen, das ist ein Problem. Hier in Kassel passen 1000 Leute ins Theater, da können wir die Vorstellung halt mehrere Male anbieten. Das bräuchte man auch in Nordamerika, man müsste in kleineren Sälen spielen und so wäre man auch näher an unserem Publikum und dessen Bedürfnissen. Ich will das nicht nur negativ sehen, aber als ich in Montréal im Opernstudio gesungen habe, gab es jedes Jahr noch sieben Produktionen à sieben oder acht Vorstellungen. Das waren halt doppelt so viel wie heute, und das ist noch nicht so lange her.
Das liegt vor allem an den Finanzen, in Québec gibt es heute genauso viel Geld für Kultur wie vor 20 Jahren. Das ist nicht nur aus künstlerischer, sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht ein Fehler, denn es ist erwiesen, dass die Kulturindustrie viel mehr einbringt als sie kostet. Aus der Perspektive des Managements kann man die Leute nicht zwingen zu kommen, sondern ihnen nur etwas bieten, das sie sonst nicht finden; ein einzigartiges, engagiertes Erlebnis der Nähe, das zudem nicht weit weg von ihnen in Hollywood entschieden wird.
klassik-begeistert: Das mit den Geldern ist eine Dauerdiskussion. Wir haben gerade heute Bundestagswahl, auf die sicherlich im In- und Ausland geschaut wird. Befürchten Sie und Ihre KollegInnen Konsequenzen für die Finanzierung der Kultur?

Eric Laporte: Klar, also wenn alles nur um Wachstum und Protektionismus geht, sind wir eben nicht systemrelevant. Für Parteien wie die AfD oder – in ihrem aktuellen Zustand – die US-Republikaner sind solche Orte zum Nachdenken, Diskutieren und ihr Ergebnis – also Vielfalt – einfach nicht im Programm. Aber wollen wir wirklich einfach nur schaffen, schaffen, schaffen, um mehr und mehr und mehr zu besitzen? Diese Einstellung ist eine Gefahr für die Kunst, gerade die lebendige Kunst – „arts vivants“, wie man auf französisch sagt –, in der man räumlich zusammen nachdenken und nachempfinden kann.
Ich bin kein Anthropologe, aber ich glaube, niemals in der Geschichte hatte die Menschheit so viel Besitz und Eigentum wie heute. Ich mache mir keine Sorgen, dass die Kultur an sich stirbt, aber dass sie ein Ort wird, wo man hingeht, um nur einen schönen Abend zu haben und ein Glas Sekt zu trinken. Das ist dann nur noch Unterhaltung und ein Ort, wo die Sponsoren in irgendeiner Form vorschreiben, was gesagt wird. Diese Form von Kultur interessiert mich nicht, da bin ich dann auch nicht mehr dabei. Aber in Deutschland ist es zum Glück noch nicht so weit. Und auch in Kanada: Gerade die jüngeren Leute schätzen das, wenn was erzählt wird, um nachzudenken. Ich bin mal sehr positiv und denke, das ist jetzt nur eine Phase.

klassik-begeistert: Das hoffen wir alle. Aber würden Sie noch in Deutschland auftreten, wenn die AfD den Kanzler stellen würde?
Eric Laporte: Na selbstverständlich, gerade dann brauchen wir die Kunst besonders dringend! Ich bin in Deutschland immer mit Offenheit empfangen worden, die Leute wollen wissen, was ich für die Kultur so mitbringen kann. Ich habe in diesen 25 Jahren, in denen ich hier lebe und arbeite, keine feindliche Stimmung gegen mich als Ausländer erlebt. Nicht einmal. Sowas kommt von Leuten, die sich in einen Raum einsperren und dann behaupten, sie wären ganz Deutschland. Aber ich, Eric Laporte, Frankokanadier, seit 24 Jahren bin ich hier unterwegs, habe sowas nie erlebt.
klassik-begeistert: Das freut mich sehr, dass Sie so positiv auf die Zukunft blicken. Aber wir sehen die Entwicklungen in anderen Ländern, die in diesen Tendenzen schon deutlich weiter sind…
Eric Laporte: Hauptsache, diejenigen, die an der Vielfalt und ihrem immensen Beitrag interessiert sind – und das ist die große Mehrheit, glaube ich –, lassen sich nicht aus Angst, die durch eine minoritäre, aber lautere Gruppe hervorgerufen wird, lähmen und zum schweigen bringen.
klassik-begeistert: Herr Laporte, herzlichen Dank für das Gespräch und klassik-begeistert wünscht Ihnen weiterhin viel Erfolg!
Johannes Fischer, 2. April 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Interview: kb im Gespräch mit Eric Laporte, Tenor – Teil 1 klassik-begeistert.de, 30. März 2025