So hat dieses Konzert statt einer Enttäuschung die interessante Begegnung mit einem aufstrebenden Talent gebracht. Man muss kein Prophet sein, um Lahav Shani eine große Karriere vorauszusagen.
Foto: Lahav Shani © Marco Borggreve
Philharmonie Berlin, 30. Dezember 2021
Johann Strauss Ouvertüre zur Fledermaus
Max Bruch Violinkonzert Nr.1
Fritz Kreisler Liebesleid
Igor Strawinsky Feuervogel
Maurice Ravel La Valse
Berliner Philharmoniker
Lahav Shani Dirigent
Janine Jansen Violine
von Peter Sommeregger
Die kurzfristige, krankheitsbedingte Absage des Chefdirigenten Kirill Petrenko für diese Konzerte zum Jahreswechsel verhießen nichts Gutes. Ersetzt wurde Petrenko durch einen jungen, noch relativ unbekannten Dirigenten aus Israel, Lahav Shani. Durch den Wechsel des Dirigenten wurden auch Änderungen am ursprünglichen Programm vorgenommen, Korngold und Richard Strauss, auf deren Stücke man sich gefreut hatte, wurden durch Johann Strauss und Igor Strawinsky ersetzt. Eine gewisse Enttäuschung schien vorprogrammiert.
Aber es kommt eben doch oft anders, als gedacht. Schon mit seiner pointierten, stürmischen Fledermaus-Ouvertüre zeigte Shani, was in ihm steckt. Er dirigiert ohne Taktstock, formt die Musik förmlich mit seinen Händen, die Philharmoniker folgen ihm mit Respekt.
Ein früher Höhepunkt des Abends ist mit Max Bruchs Violinkonzert Nr. 1 erreicht, bei dem Janine Jansen den Solopart spielt. Es ist faszinierend was Dirigent und Solistin aus diesem populären, fast zu Tode gespielten Stück herausholen. Jansen gelingt ein Adagio, das wie zart hingetupft wirkt, in den schnellen Passagen und in der Kadenz schlägt sie dafür kräftige, virile Töne von großer Virtuosität an. Shani arbeitet den selbstbewussten Orchesterpart plastisch und nachdrücklich heraus, von bloßem Stichwortgeber für den Solisten kann da nicht die Rede sein. Am Ende wird Janine Jansen gebührend gefeiert und ist anschließend noch mit der kurzen Romanze „Liebesleid“ von Fritz Kreisler zu hören.
Nach der Pause folgt die Ballettsuite aus dem Feuervogel von Igor Strawinsky. Die Ballettmusiken des Komponisten sind inzwischen sehr häufig in Konzerten zu erleben, leider viel zu selten werden sie als Bühnenwerke gespielt. Shani überzeugt auch hier, er arbeitet die Kontraste der Musik vorzüglich heraus. Das gilt gleichermaßen für Ravels „La Valse“. Das Stück wirkt ein wenig wie eine Hommage an den Wiener Walzer, so schließt sich der Kreis der gespielten Werke dieses Abends. Als „Rausschmeisser“ gibt es noch einen stürmischen Galopp von Katschaturian, aber auch danach ist noch nicht Schluss. Das Orchester verabschiedet auf sehr herzliche Weise den Kontrabassisten Ulrich Wolff, der nach 44 Jahren Zugehörigkeit zum Orchester in den Ruhestand geht. Kollegen und auch das Publikum feiern den verdienten Musiker noch lange, sein markanter Kopf wird in Zukunft auf dem Podium fehlen.
So hat dieses Konzert statt einer Enttäuschung die interessante Begegnung mit einem aufstrebenden Talent gebracht. Man muss kein Prophet sein, um Lahav Shani eine große Karriere vorauszusagen.
Peter Sommeregger, 31. Dezember 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Wiener Symphoniker, Lahav Shani, Yefim Bronfman, Wiener Konzerthaus, 25. Oktober 2019
Martha Argerich, Lahav Shani, Wiener Symphoniker, Wiener Konzerthaus, 2. März 2020