Ein Abschied mit der Mutter aller Opern

Claudio Monteverdi, L’Orfeo, Konzertante Aufführung Theater an der Wien, 22. Februar 2022

Foto: © Rupert Steiner

Theater an der Wien,  22. Februar 2022 Konzertante Aufführung

Claudio Monteverdi, L’Orfeo 

Favola in musica in einem Prolog und fünf Akten
Orfeo: Ian Bostridge
Euridice/La Musica: Monica Piccinini
Messaggiera/La Speranza: Marina de Liso
Caronte: Ugo Guagliardo

Europa Galante
Rias Kammerchor
Fabio Biondi Dirigent

von Herbert Hiess

Es überkommt einen doch eine gewisse Wehmut, wenn man das
(musik-)historisch bedeutende Theater an der Linken Wienzeile betritt und daran denkt, dass das Haus für längere Zeit wegen eines Totalumbaus gesperrt wird. Darüberhinaus rückt auch das Ende der Ära von Roland Geyer immer näher, der sich so sehr für die barocken Opern eingesetzt hat. Und viele bedeutende Aufführungen konnte man in diesem schönen Haus genießen. Nicht nur szenisch, sondern vor allem konzertant.

Und diese letzte in dieser Ära war Monteverdis musikalische Fabel „L’Orfeo“, die musikhistorisch sehr oft als allererste Oper betrachtet wird. Monteverdi beschritt mit seinen Werken den Übergang von der Renaissance in den Barock. Frei nach der Sage von Orpheus schufen der Librettist Alessandro Striggio und Claudio Monteverdi dieses in etwa zweistündige Werk im Auftrag der Familie Gonzaga, der Herzöge von Mantua im Generalbassstil. Das heißt, er hat die Gesangsstimmen vorgegeben und die Musik in einer einfachen Notation. Das tatsächliche eingesetzte Instrumentarium war dann immer von den Aufführenden abhängig. Deswegen gibt es von Monteverdis Werken sehr viele Bearbeitungen.

Das von ihm angegebene Instrumentarium ist sehr farbenreich. Neben Streichern und Flöten gibt es die beliebten Zupfinstrumente (Harfen, Laute, Chitarrone usw.) und die Posaunen und Zinken (Anm.: Zinken sind trompetenartig klingendes Blasinstrument).

Das Ensemble „Europa Galante“ ist ein italienisches Originalklangensemble, das hier im Theater an der Wien unter seinem Chef und Primgeiger Fabio Biondi aufs Feinste musizierte. Das große Atout in dieser Aufführung war der britische Tenor Ian Bostridge, der charismatisch höchst eindrucksvoll den Orfeo darstellte; sogar konzertant war er hier höchst glaubwürdig.

Stimmlich stellt diese Rolle an den Sänger die höchsten Ansprüche; sie ist offenbar für einen Baritenor gedacht. Der Tonumfang ist für einen „normalen“ Tenor fast undurchführbar; die Stimme muss auf der einen Seite in echte baritonale Tiefen vordringen und andererseits für die Koloraturen eine enorme Leichtigkeit haben.

Ian Bostridge verkörperte diese Rolle bis in die letzte Faser seines Körpers. Ab dem dritten Akt, wo Orfeo die Unterwelt betritt, gehörte ihm allein die Bühne. Sein „Lamento“ in der Unterwelt war richtiggehend singulär.

Die anderen Sänger waren alle recht ordentlich; außerordentlich dafür der RIAS-Kammerchor, den man endlich in dem Haus hören konnte. Nur 20 Personen (12 Herren und 8 Damen) ließen hier einen der besten Chöre überhaupt hören.

Und Europa Galante war mit seinem Chef Fabio Biondi das Abschiedsgeschenk für Roland Geyer. Nun kann man gespannt sein, ob der neue Intendant Stefan Herheim an diese Tradition anknüpfen wird – zu hoffen wäre es!

von Herbert Hiess, 23. Februar 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

 

 

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