Zwiespältige Aida – der musikalische Mehrwert dieser Oper wird immer geringer

Giuseppe Verdi, Aida, Abschluss der italienischen Opernwochen,  Staatsoper Hamburg, 8. April 2022

Der musikalische Mehrwert dieser Oper wird für mich immer geringer. Der Bombast des ersten und zweiten Aktes langweilt nur noch, der dritte und vierte Akt sind beeindruckender, allerdings auch nur, wenn die Protagonistin der Oper mit ihrer Stimme unter die Haut geht und Kopf und Seele in den Bann zieht. Das ist aber nur selten der Fall.

Foto: Romano Dal Zovo (König), Alexander Roslavets (Ramfis), Riccardo Massi (Radamès), Violeta Urmana (Amneris), Daniele Callegari (Dirigent), Tatiana Serjan (Aida), Amartuvshin Enkhbat (Amonasro) (Foto: RW)

Staatsoper Hamburg, 8. April 2022
Giuseppe Verdi    Aida

von Dr. Ralf Wegner

Einer der Gründe, sich doch noch eine Aufführung der Aida-Serie an der Hamburgischen Staatsoper anzuschauen, war das kurzfristige Einspringen von Riccardo Massi als Radamès. Allein schon seinetwegen hat sich der Besuch gelohnt. Der mit einem bronzefarbenen Timbre gesegnete Tenor bestach mit einer sich glanzvoll öffnenden Höhe. Das hohe B in der Eingangsarie Celeste Aida nahm er im Forte; über wenige stimmliche Unsauberkeiten war hinwegzusehen. Ähnlich herausragend sang der mongolische Bariton Amartuvshin Enkhbat den Amonasro, eine Stimme, die man gern wieder hören würde. Violeta Urmana überzeugte mit ihrem tiefengrundierten Mezzo als Amneris.

Dreh- und Angelpunkt einer Aida-Aufführung ist aber das stimmliche Können der namensgebenden Protagonistin. Dramatik verbunden mit Sanftheit, Stimmschönheit und Höhenglanz zeichnen eine Aida aus. Das gelingt nicht vielen Sopranistinnen, die mit der Aida die Opernbühne betreten. Die letzte Aida, die mich überzeugte, war 2014 Liudmyla Monastyrska, die beste 1982 Margaret Price.Die sehr schallstarke Tatiana Serjan, die ich bisher als sehr gute Tosca erlebt hatte, verfügte zwar über die dramatische Attacke, konnte aber nicht mit der notwendigen Stimmschönheit punkten, die auch den sanften Charakter der Aida kennzeichnet. In der Nilarie (O patria mia) gerieten einzelne Schärfen in den Vortrag, der Aufstieg zum hohen C am Ende der Arie gelang wenig überzeugend, eher schmalstimmig und ohne rechten Glanz. Auch der Zusammenklang mit der Stimme von Riccardo Massi erwies sich nicht als optimal.

Die übrigen Rollen waren adäquat besetzt, den Ramfis sang Alexander Roslavets, den König mit etwas verhangenem Bass Romano Dal Zovo. Seungwoo Simon Yang überzeugte als Bote, der die schlechte Nachricht vom Einmarsch der Äthiopier in Ägypten überbringt, Marie-Dominique Ryckmanns war sehr schön als Sacerdotessa anzuhören.

Die letzte Aida habe ich vor vier Jahren gesehen. Die Abstände werden größer. Der musikalische Mehrwert dieser Oper wird für mich immer geringer. Der Bombast des ersten und zweiten Aktes langweilt nur noch, der dritte und vierte Akt sind beeindruckender, allerdings auch nur, wenn die Protagonistin der Oper mit ihrer Stimme unter die Haut geht und Kopf und Seele in den Bann zieht. Das ist aber nur selten der Fall.

Das moderne, graphisch betonte Bühnenbild von Johannes Leiacker beindruckt unverändert, vor allem das Schlussbild, in dem sich das Grab in der Tiefe des Bühnenhauses bis ins Unendliche fortsetzt. Das zahlreich erschienene Publikum war offensichtlich begeistert, auch von der musikalischen Interpretation, wie man später auf dem Heimweg nebenbei hören konnte. Die musikalische Leitung hatte Daniele Callegari inne.

Dr. Ralf Wegner, 9. April 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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