Thielemann in der Wüste

Giuseppe Verdi, „Aida“  Semperoper Dresden, Premiere, 5. März 2022, 18 Uhr

Semperoper Dresden, Premiere, 5. März 2022, 18 Uhr
Giuseppe Verdi, „Aida“

Foto: Semperoper Dresden © Matthias Creutziger

von Olaf und Brigitte Barthier

Der in Sachsen nicht mehr erwünschte Christian Thielemann, dem man vorwirft, er könne nur Wagner, Strauss, Bruckner und Mahler, dirigierte am Samstag in der Semperoper die Premierenaufführung der „Aida“. Unter der großartigen Leitung von Katharina Thalbach, unterstützt von Ezio Toffolutti für das Bühnenbild und bei der Gestaltung der Kostüme, sowie dem berühmten Fabio Antoci für die Lichtregie.

Bei so einer großartigen Regiebesetzung kann nur etwas Einzigartiges herauskommen.

Der Opernabend begann jedoch anders als erwartet! Es erklang nicht die Musik von Verdi, sondern die Nationalhymne der Ukraine. Bei erleuchtetem Saal erhoben sich die Zuschauer von ihren Plätzen und bekundeten damit ihre Sympathie und Solidarität mit der Ukraine. Wir hatten auch Gäste aus der Ukraine zuvor im Foyer kennengelernt – sie waren bei den Klängen ihrer Hymne sichtlich bewegt.

Zurück nach Ägypten: Wie vielleicht bekannt, ist Katharina Thalbach ein großer Ägyptenfan, daher war für sie von Anfang an klar die Handlung in Ägypten zu verorten. Bei den Kostümen griff das Team auf Modeströmungen aus den 1920er-Jahren zurück, bei denen Einflüsse aus der frühen ägyptischen Kultur eine Rolle spielten. Das Bühnenbild bestand aus einer Unzahl von hochrechteckigen, matt vergoldeten Tafeln, die übereinander angeordnet einen großen kubischen Raum ergaben. Dieser Raum erinnerte uns an die großartige ägyptische Architektur mit ihrer strengen Symmetrie und Perfektion und ähnelte zugleich einer königlichen Grabkammer. Bei der Inszenierung halfen variable Platten, die man als Fenster oder Türen nutzen konnte.

Die Titelrolle der Aida besetzt mit Krassimira Stoyanova, sie hat uns nicht wirklich überzeugt. Gesanglich war sie manchmal nicht klar artikuliert, man hatte das Gefühl, die Stimme stecke in einem Nebel. Bei ihrer schauspielerischen Darbietung fehlte immer wieder die Identifizierung mit ihrer Rolle, man merkte, dass sie „nur“ spielte.

Quinn Kelsey als Amonasro überzeugte in jeder Hinsicht mit einer starken Bühnenpräsens und einem ausdrucksvollen Bariton. Ramfis, dargestellt durch den wunderbaren Kammersänger Georg Zeppenfeld. Die besondere Herausforderung in dieser Inszenierung war für ihn sicher sein Kostüm, er mußte auf etwa 25 Zentimeter hohen Plateauschuhen über die Bühne balancieren und dabei nicht auf seinen langen Umhang treten. In gewohnter Weise hat er das perfekt umgesetzt.

Der König wurde mit Andreas Bauer Kanabas besetzt, der mit einem beinah spirituellen Charakterbass seine Partitur vortrug und würdevoll sein aufwendiges, mit einem hohen Kopfschmuck versehenes Kostüm trug.

Die beiden großen Stars des Abends waren Oksana Volkova als Amneris und Francesco Meli als Radamès. Wunderbare volle Stimmen, große Empathie und Leidenschaft jeweils in ihrer Stimme und in ihrem Spiel. Die Mezzosopranistin sang mit großer Intensität über ihre Liebe und Eifersucht, aber auch ihre Verzweiflung, und schaffte es, den Zuschauer unmittelbar an ihren Gefühlen teilhaben zu lassen. Wie in einer griechischen Tragödie nutzte das Regieteam die Farbgebung der Kostüme für die einzelnen Protagonisten.

Der hervorragende Chor und die Tänzer und Tänzerinnen waren überwiegend hell gekleidet, inspiriert von ägyptischen Wandmalereien. Diese Inspirationsquellen zeigten sich auch beim Weihetanz der Priesterinnen und dem Tanz zur Siegesfeier. Die Inszenierung der Siegesfeier im 2. Akt war sehr prachtvoll. Mitten auf der Bühne saß der König auf einer goldenen Stufenpyramide. Der Chor und die Tänzer umkreisten die Pyramide mit Bannern und Trophäen und schufen einen ruhmvollen Siegeszug.

Im 4. Akt nun das Grabgewölbe für Aida und Radamès. Dafür wurde der vordere Bühnenboden an zwei Stahlseilen nach oben gezogen. In dieser Fläche befand sich eine dreieckige Öffnung, durch die Radamès von der Rückseite her die Grabkammer betrat. Diese wurde verschlossen. Mit dem herannahenden Tod der beiden Liebenden senkte sich die Platte immer weiter herab. Zum Schluss stand immer noch Amneris auf der Platte und wünschte den beiden den ewigen Frieden. Noch nie haben wir erlebt, dass das Publikum von diesem Gesang der Amneris so ergriffen war, es lauschte andächtig. Erst als der Vorhang komplett geschlossen war, ertönte begeisterter Beifall.

Christian Thielemann, (c) Matthias Creutziger

Die Sächsische Staatskapelle unter der Leitung von Christiane Thielemann webte einen exorbitanten Klangteppich. Man konnte manchmal Kette und Schuss nicht mehr wahrnehmen, so fein war es verwebt. Es gab Momente, die waren so transparent und hell, dass man fast die Luft anhielt um den Moment zu genießen. Andere Stellen waren so kraftvoll und leidenschaftlich und überwältigten uns. Wiederum wurde den Solisten aber so viel Raum gelassen, um sich mit dem Orchester zu entfalten.

Das Publikum war von der Premiere begeistert, viel Applaus, stehende Ovationen und auch Bravorufe. Thielemann kann auch Verdi, und er belebt sogar die Wüste.

Olaf und Brigitte Barthier, 6. März 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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