Diese Holländer-Inszenierung ist eine Publikumsbestrafung

Der Fliegende Holländer, Richard Wagner  Hamburgische Staatsoper, 1. November 2022

Peter Hoare (Steuermann), Kwangchul Youn (Daland), Jennifer Holloway (Senta), Thomas Johannes Mayer (Holländer), Benjamin Bruns (Erik), Katja Pieweck (Mary) (Foto: RW)

Was bleibt unter dem Strich, ein wunderbares musikalisches Werk, von Kent Nagano auf zweieinhalb Stunden gedehnt, aber unter seiner Leitung vom Philharmonischen Staatsorchester Hamburg gut gespielt, sowie ein Bühnenbild, das einer Publikumsbestrafung gleicht. Man hörte zwar auch Positives beim Hinausgehen, dass galt aber vor allem dem Wagnerschen Werk, welches auch durch eine solche In Szene Setzung nichts von seiner Macht verliert.

Der Fliegende Holländer
von Richard Wagner 

Hamburgische Staatsoper, 1. November 2022,
vierte Vorstellung seit der Premiere am 23. Oktober 2022

von Dr. Ralf Wegner

Wagners erstes großes Werk ist auf dem Abendzettel als „Romantische Oper in drei Aufzügen“ verzeichnet. Davon war in dem Bühnenbild von Olaf Altmann und der Inszenierung von Michael Thalheimer nichts zu spüren. Beim Hinausgehen, es wurde ohne Pause gespielt, hörte ich im Vorbeigehen einen etwa 45-jährigen Mann seiner Partnerin zurufend: So etwas Schlechtes habe er noch nie gesehen, da sei ja jeder Tatort besser.

Man wähnte sich die ersten beiden Stunden wie in einem verdunkelten Saal mit Werken des Nagelkünstlers Günther Uecker eingesperrt, nur mit einer Taschenlampe bewaffnet und danach im dritten Aufzug in einen großen Raum mit den schwarzen Werken Goyas entlassen (im Prado in Madrid gibt es solch einen Saal). Gruseltechnisch ging letzteres in Ordnung, vor allem wenn die Chöre so perfekt wie gestern Abend in den Raum donnerten; die Norweger wurden vom Hamburger Staatsopernchor gesungen, die Holländer von Sängern der ukrainischen Nationaloper Kyiv.

Die großartigen Chöre der Hamburgischen Staatsoper und der Kiewer Nationaloper (Fotos: RW)

Anfangs schienen Serien silberner Lamettafäden vom Bühnenhimmel zu hängen, die sich beim Straffziehen als vermutliche Drähte entpuppten, an denen sich die Protagonisten entlang hangelten bzw. festhielten. Die Bühne blieb weitgehend im Dunklen verborgen. Bereits während der Ouvertüre entledigte sich Senta raupenähnlich eines schwarz-glänzenden Müllsacks, in dem sie zunächst reglos ausgeharrt hatte; eigentlich eine Zumutung für eine hochprofessionelle Sängerin. Schon währenddessen und bis zum Ende andauernd war ihr ein Bewegungsmuster aufoktroyiert, welches sie als psychisch-neurotisch deformiert zeigte. Warum Erik sich noch mit ihr vereinen wollte, erschloss sich dramaturgisch überhaupt nicht.

Die großartigen Chöre der Hamburgischen Staatsoper und der Kiewer Nationaloper (Fotos: RW)

Jennifer Holloways heller, schallstarker Sopran passte gut zur Senta, im Duett mit dem Holländer im zweiten Aufzug gelangen ihr auch berührende, schön gebundene Töne, die ihre innere Beseelung widerspiegelten. Thomas Johannes Mayer war solches als Holländer nicht gegeben. Zwar auch schallstark, klang seine Stimme aber oft eher deklamatorisch als kantabel. Im Piano blieb zudem wenig Klang nach. Besonders deutlich zeigte sich dieses Manko im großen Monolog im ersten Aufzug, als sich der Holländer mit Dich frage ich, gepriesner Engel Gottes… als die Erlösung Du mir zeigtest an in einer kompositorisch wunderschönen Kantilene in die Höhe schwingt. Das muss beseelt klingen. Gleiches gilt für das Duett mit Senta im zweiten Aufzug. Mayer gelang es stimmlich nicht, der Hoffnung auf Erlösung durch Senta Ausdruck zu geben.

Kwangchul Youn war ein ordentlicher Daland, sein Steuermann Peter Hoare beließ es allerdings nicht beim Liedhaften, sondern versuchte sich mit Gewitter und Sturm aus fernem Meer eher im Heldischen. An seiner etwas breiten Diktion sollte er noch feilen. Katja Pieweck war unter einer blond-roten Perücke und großbebrillt nicht wieder zu erkennen, sie sang eine schönstimmige Mary. Der Senta Holloways gleichwertig sang der Tenor Benjamin Bruns einen überzeugenden Erik.

Was bleibt unter dem Strich, ein wunderbares musikalisches Werk, von Kent Nagano auf zweieinhalb Stunden gedehnt, aber unter seiner Leitung vom Philharmonischen Staatsorchester gut gespielt, sowie ein Bühnenbild, das einer Publikumsbestrafung gleicht. Man hörte zwar auch Positives beim Hinausgehen, dass galt aber vor allem dem Wagnerschen Werk, welches auch durch eine solche In Szene Setzung nichts von seiner Macht verliert. Wer moderne graphische Muster liebt, wird sich mit dem Bühnenbild vermutlich anfreunden können, wenn auch jeweils nur für wenige Minuten; denn der visuelle Effekt verpuffte rasch.

Dr. Ralf Wegner, 2. November 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Richard Wagner: „Der Fliegende Holländer“ Staatsoper Hamburg, 23. Oktober 2022 (Premiere)

Richard Wagner, Der fliegende Holländer Staatsoper Hamburg, 23. Oktober 2022 PREMIERE

Richard Wagner, Der fliegende Holländer Festspielhaus Bayreuth, Bayreuther Festspiele, 27. August 2022

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