Die als Küsterin für Evelyn Herlitzius eingesprungene Eliška Weissová machte Leoš Janáčeks Oper Jenůfa zu einem Ereignis

Leoš Janáček, Jenůfa Staatsoper Hamburg, 6. Januar 2024

Janina Baechle (Alte Buryja), Clay Hilley (Laca), Laura Wilde (Jenůfa), Tomáš Netopil (musikalische Leitung), Eliška Weissová (Küsterin), Dovlet Nurgeldiyev (Stewa)

Eliška Weissová überzeugte mit ihrem ausgesprochen schallstarken, auch in der Tiefe noch voll klingendem Sopran nicht nur in den dramatischen Szenen, sondern ihr gelangen auch sehr gefühlvolle Töne, etwa bei der Bitte an Stewa, sich seines Sohnes anzunehmen. Der Bayreuth-erfahrene Clay Hilley lag mit seinem hellen, eher weißfarbigem Heldentenor immer satt über dem Orchester und konnte ebenso den Jubel des Publikums (leider nur gut 600 Zuschauerinnen und Zuschauer einfahren.


Leoš Janáček
Jenůfa

INSZENIERUNG: Olivier Tambosi
BÜHNENBILD UND KOSTÜME: Frank Philipp Schlößmann
LICHT: Hans Toelstede

Staatsoper Hamburg, 6. Januar 2024

von Dr. Ralf Wegner

Janáčeks Oper Jenůfa findet sich eher selten auf dem Spielplan, wird wohl auch wegen des grausigen Inhalts nicht so gern gesehen. Denn das Schicksal einer verlassenen Schwangeren, deren Ziehmutter keine andere Lösung weiß, als das Neugeborene zu töten, ist schon herbe Kost. Karita Mattila war einst eine ganz herausragende Jenůfa und später auch eine völlig überzeugende Küsterin. Als großartige Küsterin blieb auch Éva Marton in Erinnerung.
Bei der gestrigen Jenůfa-Aufführung in der Hamburgischen Staatsoper waren beide Hauptpartien bereits ausgetauscht worden, für Natalya Romaniw sang die US-Amerikanerin Laura Wilde die Partie der Jenůfa und für Evelyn Herlitzius sprang als Küsterin die tschechische Sopranistin Eliška Weissová ein. Die beiden Tenorpartien waren hochkarätig mit Clay Hilley als eifersüchtigem Laca und Dovlet Nurgeldiyev als leichtfertigem Frauenliebling Stewa besetzt.

Erster Akt, Laura Wilde als Jenufa, Foto von Hans Jörg Michel

 Eliška Weissová überzeugte mit ihrem ausgesprochen schallstarken, auch in der Tiefe noch voll klingendem Sopran nicht nur in den dramatischen Szenen, sondern ihr gelangen auch sehr gefühlvolle Töne, etwa bei der Bitte an Stewa, sich seines Sohnes anzunehmen. Sie beherrschte den zweiten und auch den dritten Akt, währen sich die Sopranstimme von Laura Wilde als Jenůfa nicht eigentlich in das Gehör einschlich.

Anfangs wirkte ihr Stimmklang hart und vibratoreich, aber auch später gelangen ihr, die ja im zweiten Akt mit dem Gebet an Maria und der Klage um den toten Sohn sowie im dritten Akt gegenüber ihrer Ziehmutter auch Arioses zu singen hat, kaum berührende Töne. Darstellerisch überzeugte sie allerdings, ebenso wie Eliška Weissová als Küsterin. Beide wurden am Ende auch entsprechend bejubelt.

Der Bayreuth-erfahrene Clay Hilley lag mit seinem hellen, eher weißfarbigem Heldentenor immer satt über dem Orchester und konnte ebenfalls den Jubel des Publikums einfahren. Das gelang zu meiner Überraschung Dovlet Nurgeldiyev als Stewa leider nicht. Seine nicht sehr schallstarke Tenorstimme wurde zu häufig vom unter der Leitung von Tomáš Netopil überzeugend aufspielendem Philharmonischen Staatsorchester Hamburg überdeckt. Der immer noch vorhandene und für sich einnehmende Klang seines schönen Tenors kam damit kaum zur Geltung.

Die Nebenrollen waren gut besetzt mit Janina Baechle als Alte Buryja, mit Tigran Martirossian als Altgesell und u.a. mit Yeonyoo Katharina Jang als Jano oder Claire Gascoin als Barena.

Die Inszenierung (Olivier Tambosi) ist aus dem Jahre 1998, Frank Philipp Schlümann hat Tambosi ein überzeugendes Bühnenbild gebaut. Mit der Breitseite zum Publikum hin verjüngte sich die Spielfläche dreiecksförmig mit der Spitze nach hinten weisend.

Dritter Akt, Schlussbild mit Laura Wilde als Jenufa und Clay Hilley als Laca, Foto von Hans-Jörg Michel

Seitlich fassten hohe Mauern die Szenerie als Symbol für die Enge des Hauses und auch die moralische Enge der Dorfgemeinschaft ein. Hinten ließ ein breiterer Spalt die Weite der Landschaft mit Weizenfeld (1. Akt), Schneetreiben (2. Akt) und baumloser Landschaft (3. Akt) erahnen. Den Innenraum des 2. Aktes dominiert ein übergroßer Felsblock, als Symbol für die beiden Frauen auf der Seele liegende Last.

Beim versöhnlichen Schluss, als Laca sich zu Jenůfa bekennt (nachdem die Küsterin ihre Schuld vor der Dorfgemeinschaft eingestanden hat), färbt sich der Himmel im Hintergrund erst blau und geht schließlich, fast den Kitsch streifend, in die rötliche Abenddämmerung über. Aber dann fällt auch schon der Vorhang.

Dr. Ralf Wegner, 7. Januar 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Weitere Vorstellungen dieser trotz einzelner stimmlicher Einschränkungen sehens- und hörenswerten Serie gibt es am 09., 11. und 13. Januar 2024

Leoš Janáček, Jenůfa Staatsoper Stuttgart, 12. November 2023

JENŮFA von Leoš Janáček Valencia/Palau de les Arts Reina Sofía, 27. Januar 2023

Blu-ray-Rezension: Leoš Janáček, Jenůfa klassik-begeistert.de 26. August 2022

DVD Blu-Ray Rezension: Leoš Janáček, Jenůfa, klassik-begeistert.de

Ein Gedanke zu „Leoš Janáček, Jenůfa
Staatsoper Hamburg, 6. Januar 2024“

  1. Jenůfa.
    Danke für Ihren ausführlichen Bericht. Ich war gestern sehr emotional berührt von der Aufführung. Ich kannte die Oper nicht. Eine sehr traurige und tragische Geschichte.
    Musikalisch ein Juwel. Stimmige Inszenierung und überragende Sänger. Die Aufführungen hätten ein volles Haus verdient.

    Berthold Knicker

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