Musik von Gerd Natschinski
Text von Jo Schulz
Komische Oper Berlin, Zelt am Roten Rathaus, 8. Juni 2024 Premiere
von Ralf Krüger
Am 9. Juni 2013 schenkte Barrie Kosky den Berliner Musikfreunden einen besonderen Operetten-Fund. Auf der Bühne der Komischen Oper wurde der „Ball im Savoy“ zelebriert und selbst eingefleischte Operetten-Freaks hatten damals Probleme, sich an Musiknummern und Handlungsstränge zu erinnern. So lange war das Stück hier nicht aufgeführt worden.
Adam Benzwi hatte sich an verschiedenen Häusern mit seinen musikalischen Arrangements einen Namen gemacht und gemeinsam mit dem neuen Intendanten des Hauses fegte er den Staub und die Patina des Alten, dem das geschmähte Schwesterchen der Großen Oper anhänglich ist, gnadenlos hinweg und sorgte für neuen Schwung, neue Tänze und neue Frische.
Es war sicher ein Wagnis, Paul Abrahams Berliner Werk von 1932 neu herauszubringen, weil niemand wusste, ob „Operette“ noch zieht (und ob es wirklich so schön ist, „am Abend bummeln zu gehen“).
Doch der „Ball im Savoy“ wurde zum Dauerbrenner und Kassenschlager, hob mehr vergessene Werke dieses und anderer Komponisten ins Rampenlicht und war während der gesamten Intendanz Koskys immer präsent.
Nun könnte man denken, die Komische Oper dümpelt jetzt wegen Umbauarbeiten im Ausweichquartier vor sich hin, Barrie Kosky ist weg und nur noch gelegentlich am Hause tätig, da wird auch das heitere Genre aus den Spielplänen verschwinden.
Aber denkste, hier leben (manchmal) Totgeglaubte länger! – sagt der olle Berliner, also der Einheimische, auch ich. Und tatsächlich offenbart uns die Komische Oper in diesem Sommer wieder einen Fund der besonderen Art.
„Die Welt gibt sich ein Rendezvous in Leipzig auf der Messe“, heißt es da. Doch vorher muss der volkseigene Mode-Betrieb „Berliner Schick“ einen Verkaufsschlager entwickeln, der die internationalen Gäste entzücken soll, doch die Meinungen über tragbare Kleidung klaffen im Betrieb weit auseinander. Der Chef plant Unbrauchbares, seine Modegestalterin Gisela das Besondere.
Obwohl man als Privatperson kaum die Möglichkeit hatte, am Messetreiben teilzunehmen, genoss das Ereignis doch eine gewisse Popularität. Im Oktober 1960 wurde im Metropol-Theater an der Friedrichstraße die Operette „Messeschlager Gisela“ uraufgeführt und knapp 64 Jahre später wird sie zwischen Neptunbrunnen und Rotem Rathaus in einer Aufführungsserie im Zelt eine späte Wiederauferstehung feiern.
Das Stück spielt kurz vor der Leipziger Frühjahrsmesse 1960 und wird von Regisseur Axel Ranisch auch in der DDR-Zeit der 1960-er Jahre belassen, schon „weil die Kostüme so toll sind“, wie er im Gespräch auf Radio3 vom RBB verraten hat. Und er schwärmte von der Musik Gerd Natschinskis, die fröhlich mache und von der „handwerklichen Kraft“ seiner Arbeit, die in all seine tollen Melodien und Ohrwürmer eingeflossen sei.
Adam Benzwi hat die Partitur für ein großes Orchester arrangiert und wer noch den Klang „seiner“ Abraham- und Oscar-Straus-Operetten im Ohr hat, der wird, wie ich, den ersten Takten von „Messeschlager Gisela“, wild entgegenfiebern.
Premiere ist am 8. Juni. Gespielt wird, mehrmals in der Woche, bis zum 7. Juli 2024 im Zelt am Roten Rathaus in Berlin. Die U-Bahn hält vor der Tür.
Ralf Krüger, 5. Juni 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at