Melancholie des Widerstands © William Minke
Makaber vielleicht die Tatsache, dass am Abend der Uraufführung ein französisches Wahlergebnis bekannt wird, das ähnliche Befürchtungen wie in dem Stück auslöst. Die Aufführung hat eine hohe Qualität, scheitert aber letzten Endes auf hohem Niveau.
Melancholie des Widerstands
EINE FILMISCHE OPER (2024)
Auftragswerk der Staatsoper Unter den Linden
Musik Marc-André Dalbavie
Text Guillaume Métayer in Zusammenarbeit mit David Marton nach dem Roman von László Krasznahorkai
Georges Esther Matthias Klink
Angèle Esther Tanja Ariane Baumgartner
Rosi Pflaum Sandrine Piau
Valouchka Philippe Jaroussky
Dirigentin Marie Jacquot
Staatsoper Unter den Linden, Berlin, Uraufführung, 30. Juni 2024
von Peter Sommeregger
An diesem schwül-heißen Juni-Sonntag kam das Auftragswerk der Berliner Staatsoper zur Uraufführung und hinterließ am Ende ein deutlich erschöpftes Publikum.
Marc-André Dalbavie hatte sich den Roman von László Krasznahorkai als Vorlage ausgesucht, wie schon vor ihm der kürzlich verstorbene Komponist Kurtág. Es geht darin um Ereignisse in einer Kleinstadt, in der die undefinierte Bedrohung, die von der Bevölkerung wahrgenommen wird, sich schließlich in einem politischen Umsturz manifestiert. Die Vorgänge, die sich in kryptischer Form abspielen, schaffen eine Grundstimmung von Angst und Depression.
Das Besondere an dem Werk ist seine Umsetzung in Form einer „Filmischen Oper“, über weite Strecken wird die Handlung auf eine große Leinwand projiziert, die Staatsoper wird so zum Kinosaal. Dabei bleibt offen, ob die gezeigten Sequenzen eine Aufzeichnung, oder aber live gefilmt sind. Parallel finden aber auch Aktionen auf der Bühne selbst statt, was das Verständnis der ohnehin komplizierten Handlung nicht unbedingt erleichtert.
Bis zur Mitte der gut zwei pausenlose Stunden dauernden Aufführung bleibt der Spannungsbogen erhalten, danach verlieren sich Handlung und deren Umsetzung in vagen Andeutungen. Kann die Vermischung verschiedener Ebenen anfangs noch fesseln, so wirkt sie im weiteren Verlauf ermüdend. Erschwerend kommt dazu, dass man den komplizierten französischen Text in der Übertitelung lesen muss. Man kommt zu dem Schluss, dass man es eher mit einem Film, als mit einer Oper zu tun hat, auch die Musik wirkt eher als ein illustrierendes Element.
Die Umsetzung dieser komplizierten Produktion bewegt sich allerdings auf hohem Niveau. Der Regisseur David Marton und sein Team erzeugen eine bedrückende Dichte, alle Sänger bewältigen auch schauspielerisch ihre Aufgaben bravourös.
Matthias Klink als Georges Esther, die fulminante Tanja Ariane Baumgartner als seine Frau Angèle bieten hervorragende Leistungen. Der Countertenor Philippe Jaroussky, dem der jugendliche Schmelz der Stimme inzwischen abhanden gekommen ist, kann in der Rolle des Briefträgers Valouchka trotzdem überzeugen.
Den stärksten Eindruck hinterließ Sandrine Piau als verbitterte Kleinbürgerin Rosi Pflaum, die diese Rolle zu einem Kabinettstück machte.
Großen Anteil am Gelingen hatte auch die Dirigentin Marie Jacquot, die sich souverän durch die komplizierte Aufführung bewegte.
Am Ende verlässt man ein wenig ratlos die Oper. Hat man nun einen Opernfilm, oder eine Film-Oper erlebt?
Makaber vielleicht die Tatsache, dass am Abend der Uraufführung ein französisches Wahlergebnis bekannt wird, das ähnliche Befürchtungen wie in dem Stück auslöst. Die Aufführung hat eine hohe Qualität, scheitert aber letzten Endes auf hohem Niveau.
Peter Sommeregger, 1. Juli 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Spielzeit 2024/25 Staatsoper Unter den Linden Berlin, 13. Mai 2024