Káťa Kabanova 2025, J. Ley, M. Siljanov, N. Lewis, T. Mole © G. Schied
Musikalisch hat die Produktion insgesamt ein hohes Niveau. Corinne Winters Káťa überzeugt mich und den Rest des Publikums restlos. Starker anhaltender Beifall. Winters Stimme und ihr bewegendes Spiel sollten Sie sich nicht entgehen lassen.
Káťa Kabanová
Oper in drei Akten (1921)
Libretto von Leoš Janáček nach dem Schauspiel „Gewitter“ (Groza, 1859) von Alexander N. Ostrowski in der tschechischen Übersetzung von Vincenc Červinka.
Komponist Leoš Janáček
Musikalische Leitung Marc Albrecht
Inszenierung Krzysztof Warlikowski
Bayerisches Staatsorchester
Bayerischer Staatsopernchor
Nationaltheater, München, 17. März 2025 PREMIERE
von Frank Heublein
An diesem Abend wird die Premiere einer Neuinszenierung von Káťa Kabanová von Leoš Janáček im Nationaltheater in München aufgeführt.
Warum sollten Sie dafür nach München kommen? Wegen Corinne Winters Káťa! Wie in Salzburg 2022 zeigt die Sopranistin erneut die verzweifelte Intensität Káťas, stimmlich und spielerisch. Fest ist ihre Stimme, mit souveräner Kraft vermittelt sie alle Gefühlslagen dieser geschundenen Person. Von hochfliegender Lust und inneliegender stimmlicher Wärme bis zur tiefen Verzweiflung und der darin innewohnender kalten piesackenden Verzweiflung. Ihre Stimme erreicht immer! mein Herz und meinen Bauch. In jedem Moment auf der Bühne hat Winters eine großartige stimmliche Präsenz.

Kudrjáš, gesungen von Tenor James Ley, und Mezzo Emily Sierra als Varvara gefallen mir ebenfalls sehr gut. Er ist der leichteste, der einzige lebensfrohe und lebensanpackende Charakter des Stücks. Locker flockig kraftvoll – seine Stimme klingt genau so – lässt er sich ein auf das erotische Spiel Varvaras. Diese in Person Emily Sierra ist ein Eigengewächs des Münchner Opernhauses. Nicht erst nach dieser Leistung frage ich mich: wie lange noch? Erst vergnügt sie sich mit Kudrjáš, der – wie ich – ihrem stimmlichen lasziven so klaren wie warmen Klang als auch ihrer figuralen Anziehungskraft nicht widerstehen zu vermag.

Danach schickt sie sehr keck und geschickt Káťa und Boris ins Liebesnest. Sie hat die Situation im Blick. Ist im Gegensatz Káťas zur Flucht aus der dörflichen sozial-gesellschaftlichen Zwangsjacke fähig. Okay, Kudrjáš zieht auch mit im Gegensatz zu Boris. Dieser zieht den Schwanz ein vor seinem Mächtigen, seinem Onkel Dikoj. Genau wie der Ehemann Tichon vor seiner Mutter, der Kabanicha. Tichon wie Boris lassen Káťa zurück in ihrer Verzweiflung. Nehmen sie nicht mit in die rettende Ferne fort aus dem Dorf, fort von der Unterdrückung der Schwiegermutter, zugleich fort von der Sünde des Ehebruchs, der Versuchung, sich der Liebe nach Boris hinzugeben.

Der Beifall am Ende für Mezzo Violeta Urmana für ihre Kabanicha fällt verhaltener aus. Dafür kann es aus meiner Sicht nur einen Grund geben: die überzeugende Schärfe und Kälte, mit der sie die Rolle der Schwiegermutter Káťas ausstattet, gesanglich wie spielerisch. Abweisend. Herrschig. Fies. Machtgeil. Tichon als Marionette missbrauchend, der sich nicht dagegen wehrt. Ich fürchte mich vor ihr. Doch auch ihr gilt: brava!
Marc Albrecht führt das Bayerische Staatsorchester straff und konzentriert. Die Kürze der – zum Teil aus einem Wort bestehenden – Sätze führt zu einer starken musikalischen Verdichtung. Ein sehr-viel-Klang-in-sehr-kleinen-Zeitfenstern. Meisterhaft ausgeführt, Dirigent und Orchester halten die komplette kurze Oper ohne Pause durchgespielte über ihre und damit meine Spannung. Zwingen mich durch meine Ohren tief hinein in den Strudel von Káťas Gefühlswelt.
Krzysztof Warlikowski und sein Team organisieren ein Raum-in-Raum Konzept. Ein kleiner Raum wird in der Tiefe des holzgetäfelten großen Bühnenrahmens nach vorn oder hinten bewegt. Diese Statik trägt dazu bei, den Fokus auf die Handelnden zu setzen. Gut sind einige der Videoeffekte. Etwa anfangs der Kamerablick durchs Aquarium auf Káťa. Eine Vorwarnung. Oder die Kamera, das Káťas Portraitausschnitt in ihrer langen letzten Arie A to zpívání! (Und dieses Singen!) gleich zweimal nebeneinander groß auf der Bühnenrückseite projiziert. Der Schlusseffekt beeindruckt mich. Die projizierte Blumenwiese wirbelt sich um und verwandelt sich ins Wolgawasser. Ich sehe durch den Blick der toten Káťa unter Wasser in Richtung Lebende. Stark!
Musikalisch hat die Produktion insgesamt ein hohes Niveau. Corinne Winters Káťa überzeugt mich und den Rest des Publikums restlos. Starker anhaltender Beifall. Winters Stimme und ihr bewegendes Spiel sollten Sie sich nicht entgehen lassen.
Frank Heublein, 18. März 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Besetzung
Musikalische Leitung Marc Albrecht
Inszenierung Krzysztof Warlikowski
Bühne und Kostüm Małgorzata Szczęśniak
Licht Felice Ross
Video Kamil Polak
Choreographie Claude Bardouil
Chor Franz Obermair
Dramaturgie Christian Longchamp, Lukas Leipfinger
Dikoj Milan Siljanov
Boris Pavel Černoch
Kabanicha Violeta Urmana
Tichon John Daszak
Káťa Corinne Winters
Kudrjáš James Ley
Varvara Emily Sierra
Kuligin Thomas Mole
Glaša Ekaterine Buachidze
Fekluša Elene Gvritishvili
Ein Mann Samuel Stopford
Eine Frau Natalie Lewis
Bayerisches Staatsorchester
Bayerischer Staatsopernchor
Blu-ray-Rezension: Leoš Janáček, Káťa Kabanová klassik-begeistert.de, 8. August 2023
Leoš Janáček, Káťa Kabanová Felsenreitschule, Salzburg, 11. August 2022